Brüssel. . Europas Finanzminister ziehen im Kampf gegen die Schuldenturbulenzen nun alle Register – viele Tabus fallen. So sei ein teilweiser Zahlungsausfall Griechenlands nicht ausgeschlossen. Das soll das Überschwappen der Krise auf andere Länder verhindern.

Zurück auf Start bei der bisher erfolglosen Rettung Griechenlands: Unter großem Druck beschlossen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine europäischen Kollegen, ab sofort alle Hilfsmöglichkeiten für den Schuldenstaat zu prüfen. Das geschehe „vorbehaltlos“ und „tabulos“, kündigte Schäuble am Dienstag in Brüssel an. „Es wird jetzt wirklich alles in den Instrumentenkasten genommen.“

Ein erstes Tabu brach der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager. Ein teilweiser Zahlungsausfall Griechenlands sei nicht mehr ausgeschlossen, sagte er. Damit gebe es nun mehr Optionen, Griechenland zu helfen.

Zweites Rettungspaket für Griechenland

Diese Kehrtwende könnte die zähen Arbeiten an dem zweiten Rettungspaket für Griechenland erleichtern – und das Überschwappen der Schuldenkrise auf weitere Euro-Staaten verhindern. Die Lage im Euro-Währungsraum sei „sehr ernst“ und verlange nach einer „umfassenden“ Antwort, betonte EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Das spiegelten auch die europäischen Börsen wider – die Aktienkurse sackten auch in Deutschland zeitweise deutlich ab. Rehn und die europäischen Finanzminister bekräftigen ihre „absolute Bereitschaft“, die Stabilität des Euro-Raums zu gewährleisten.

Die Minister zeigten einige Hilfsoptionen auf, auch wenn die Politiker vage blieben. Ein klammer Staat solle künftig Notkredite aus dem milliardenschweren Euro-Rettungsfonds günstiger erhalten oder mehr Zeit bekommen, um Schulden zu begleichen. Entsprechende Vorschläge, um die „Flexibilität“ und den „Anwendungsbereich“ des Rettungsfonds auszuweiten, würden „in Kürze“ vorgelegt.

Auf Konfrontation mit der EZB

Damit scheuen Schäuble und seine Kollegen nicht vor Zoff mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zurück. Die oberste Hüterin des Euro will einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands vermeiden.

Der Hintergrund: Griechische Banken leihen sich bei der EZB Geld und hinterlegen als Sicherheit griechische Schuldverschreibungen. Diese Anleihen könnte die EZB aber nicht mehr annehmen, falls Ratingagenturen Griechenland als teils zahlungsunfähig einstufen. Die Banken bekämen dann kein Geld mehr.

Ratingagenturen beurteilen die Kreditwürdigkeit von Staaten. Sie warnten bereits, dass sie Griechenland als teils zahlungsunfähig erachten würden, wenn der Staat mehr Zeit bekäme, Schulden zu begleichen. Oder wenn Griechenlands private Gläubiger – Banken oder Versicherer – bei künftigen Notkrediten einen Teil der Risiken mittragen müssten. Genau das fordern aber Deutschland und andere Euro-Staaten.

Europäische Finanzminister unter Druck

Die Beteiligung des Privatsektors sei beim zweiten Hilfsprogramm für Griechenland unabdingbar, bekräftigte Schäuble. Das neue Notkredite-Paket solle spätestens in der zweiten Augusthälfte stehen – bis Mitte September habe Griechenland noch ausreichend Geld. Mit der Unterstützung und einem massiven Sparprogramm strebt das Mittelmeerland an, seine Schulden auf ein erträgliches Maß senken.

Die europäischen Finanzminister arbeiten unter Druck. An den Finanzmärkten wächst erneut die Nervosität, dass auch andere verschuldete Euro-Staaten in Finanzierungsschwierigkeiten geraten könnten. Derzeit sorgen sich Anleger vor allem um Italien. Die drittgrößte Volkswirtschaft Europas will ihren Schuldenberg mit einem massiven Sparprogramm abbauen. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Ministerpräsident Silvio Berlusconi und seinem Finanzminister Giulio Tremonti gespannt.

Wegen der Ängste an den Finanzmärkten ist es für Italien deutlich teurer geworden, Geld bei Banken oder Versicherern zu borgen. In der Vergangenheit waren zudem Spekulationen hochgekocht, dass Spanien oder Belgien in Finanzierungsschwierigkeiten geraten könnten.