Dortmund.

Keine zwölf Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht rücken wieder Rekruten in die Kasernen. In den folgenden 54 Jahren tun insgesamt 8,4 Millionen junge Bundesbürger den Dienst an der Waffe. Jetzt endet die Wehrpflicht in Deutschland.

Das Land macht damit den Schritt, den andere Nato-Staaten wie die USA, Großbritannien, Frankreich und die Niederlande längst hinter sich haben. Die Zeit der Ost-West-Auseinandersetzung und der großen Panzerstreitkräfte ist vorbei. Für die weltweit einzusetzenden Interventionstruppen braucht die Bundesregierung keine „Schule der Nation“ mehr, sondern Freiwillige. Sie hat deshalb binnen Jahresfrist den dramatischen Wandel eingeleitet. Montag werden die ersten Freiwilligen ihren Dienst aufnehmen.

Die Armee wird nur noch aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen – ergänzt um jährlich mindestens 5000 freiwillig Wehrdienstleistende. Entgegen allen pessimistischen Prognosen: Sie melden sich sogar. Im Dortmunder Kreiswehrersatzamt, das für einen Zwei-Millionen-Raum zwischen Mülheim und Hagen zuständig ist, berichtet Leiter Bernhard Günzel, seit April stiegen die Bewerberzahlen deutlich an.

Zehn bis 15 Freiwillige kommen zum Tauglichkeitstest in die Leuthardstraße – pro Tag. Das liegt zwar ganze Regimenter entfernt von den täglich 70 Aspiranten, die bis zur faktischen Aussetzung der Wehrpflicht zum Jahresbeginn einbestellt wurden. Doch von einem vielfach befürchteten Wegbrechen der notwendigen Interessentenzahl für die Freiwilligen-Armee könne zumindest an der Ruhr keine Rede sein. Für die 85 Soldatenstellen, die das Dortmunder Amt in den verschiedenen Truppenteilen bis zum Einberufungstermin am 1. Juli besetzen soll, hat Günzel schon 77 Kandidaten gefunden.

„Zufriedenstellende Situation“

Der Trend gilt landesweit. Ein Sprecher der Wehrbereichsverwaltung West bestätigt, dass Anfang Juni 70 Prozent aller Freiwilligen-Stellen mit Stichtag 1. Juli besetzt werden konnten: „Eine zufriedenstellende Situation.“

Freilich: Marketing muss die Bundeswehr künftig schon mehr als bisher betreiben. Die Mitarbeiter in der Wehrverwaltung werden sich umstellen müssen, sagt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). „Heute haben sie einen Schreibtisch und einen Terminkalender. Künftig brauchen sie ein Auto und einen Laptop.“ Die Bundeswehr wird auf die Bewerber zugehen. De Maizière: „Die jungen Leute wollen vielleicht auch mit jemandem reden, der in Afghanistan war.“

An diesem 1. Juli endet auch der Zivildienst. An seine Stelle tritt der Bundesfreiwilligendienst. Doch im Gegensatz zu den Anmeldezahlen bei der Bundeswehr ist das Interesse der freiwilligen Helfer bei sozialen Trägern gering. Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, Dachverband für 10 000 soziale Einrichtungen, haben sich erst 650 Freiwillige gemeldet. Das Angebot beträgt 6000 Plätze. Ähnliche Quoten melden auch die Bundesverbände von Caritas und Diakonie.

Die Lücke macht Stress

„Keine Frage, für die Angestellten bedeutet diese Lücke mehr Stress. Dennoch wird unsere Versorgungsstruktur nicht zusammenbrechen“, sagte Gwendolyn Stilling, Sprecherin des Paritätischen.

Das Bundesfamilienministerium geht dennoch davon aus, die selbst gesetzte Marke von 35 000 Freiwilligen pro Jahr zu erreichen – für ein Taschengeld von 330 Euro. Kai Gehring, Jugendpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, spricht von einem Fehlstart für den „handwerklich schlecht gemachten“ Bundesfreiwilligendienst: „Die Startprobleme waren vorhersehbar. Sie können nur überwunden werden, wenn endlich attraktive Anreize für alle Freiwilligendienstleistende geschaffen werden.“