Berlin. . Auch 20 Jahre nach dem Umzugsbeschluss des Bundestags entzweit die Aufteilung der Bundesministerien auf die Städte Bonn und Berlin noch die Politiker in Deutschland. Bislang unterhalten alle Bundesministerien Dienststellen in Bonn, sechs davon haben sogar noch ihren Hauptsitz dort.
Die Aufteilung der Bundesministerien auf die Städte Bonn und Berlin entzweit auch zwei Jahrzehnte nach dem Umzugsbeschluss des Bundestags noch die Politiker in Deutschland.
Während sich Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) anlässlich des 20. Jahrestags des Bonn-Berlin-Beschlusses am 20. Juni für einen Komplettumzug an die Spree aussprach, sehen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der nordrhein-westfälische CDU-Landesgruppenchef Peter Hintze in der Aufteilung kein Problem für die Leistungsfähigkeit Deutschlands.
Das Bonn-Berlin-Gesetz sei „grundsätzlich einzuhalten“, sagte Schäuble der Zeitschrift „Super Illu“. Er räumte jedoch ein: „Änderungen sind natürlich - wie bei allen Verträgen - im Einvernehmen der Vertragspartner möglich.“
Thierse: „Auf Dauer ist Zweiteilung nicht vernünftig“
Er habe sich vor 20 Jahren „überdurchschnittlich stark“ für Berlin engagiert, sagte Schäuble. „Deswegen werde ich mich nicht besonders stark dafür engagieren, den mit Bonn in diesem Zusammenhang geschlossenen Vertrag nicht einzuhalten.“ Allerdings erwarte er gerade in Berlin „etwas mehr Verständnis für Bonn“.
„Auf Dauer ist die Zweiteilung nicht vernünftig“, sagte Thierse der Nachrichtenagentur dapd. Die konzentrierte Kommunikation in der Politik werde durch die 500 Kilometer Entfernung zwischen den Städten nicht befördert sondern behindert. Allerdings verlangt Thierse keinen sofortigen Umzug. Es gehe nicht um eine Änderung in einem „Donnerschlag“. Allerdings solle durch vernünftige Schritte die Arbeitsfähigkeit der Ministerien verbessert werden. „Das hilft auch der Demokratie insgesamt“, sagte der 67-Jährige, der vor 20 Jahren für einen Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin stimmte.
Bonner OB: „Kluge Regelung“
Der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Hintze, der 1991 für die Hauptstadt Bonn votiert hatte, widersprach dieser Forderung. „Bonn steht für den deutschen Beitrag zur europäischen Einigung und dafür, dass wir moralisch und politisch in den Kreis der freien Völker zurückgekehrt sind“, sagte er dapd. Er wolle, dass der deutschlandweit einmalige Titel Bundesstadt auch weiterhin durch die Anwesenheit von Bundesinstitutionen gerechtfertigt sei.
Dafür setzt sich auch der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) ein, der die dezentrale Ansiedelung der Ministerien für „eine kluge Regelung“ hält. „Die Schwächen dieser Regelung liegen außerhalb des Gesetzestextes, wenn Menschen das Wohl Berlins und Brandenburgs vor das Wohl der Republik stellen“, sagte Nimptsch im dapd-Interview. Eventuelle Reformen sollten sinnvoll sein und beiden Städten für die nächsten Dekaden Planungssicherheit geben. So gehören nach Nimptschs Einschätzung beispielsweise Verwaltungseinheiten, die sich mit der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik beschäftigen, eher nach Bonn mit seiner Nähe zu Brüssel.
Im Rückblick eine richtige Entscheidung
Einig sind sich die ehemaligen Bonn- und Berlin-Verfechter heute dagegen in der Auffassung, dass der Wechsel des Parlaments nach Berlin ein angemessener Schritt war. „Die Entscheidung für Berlin ist im Rückblick eine richtige Entscheidung gewesen“, findet Hintze. Thierse betonte die Wichtigkeit des Umzugs für die deutsche Einheit. „Dass die deutsche Politik nun inmitten Ostdeutschlands stattfindet, ist auch polit-psychologisch ein wichtiger Punkt.“
Um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Bonn macht sich der ehemalige Bundestagspräsident auch bei einem Wegzug der letzten Ministerien keine Sorgen. „Bonn geht es prächtig.“ Stadt und Region hätten rund 1,5 Milliarden Euro erhalten, um den Wegzug des Bundestages aufzufangen. „Bonn hat diese Entscheidung ökonomisch, sozial, kulturell nicht geschadet. Es ist eine blühende Stadt“, lobte Thierse. Bonns Stadtoberhaupt Nimptsch sagte: „Wir sind jetzt die Deutsche Stadt der Vereinten Nationen, konnten uns im Bereich Wissenschaft stark entwickeln und belegen Platz 3 in der „Börsenliga“.“
Hälfte aller Ministeriumsmitarbeiter arbeitet noch in Bonn
Am 20. Juni 1991 hatte der Bundestag nach ganztägiger leidenschaftlicher Debattenschlacht mit weit über hundert Wortmeldungen von Abgeordneten mit 338 zu 320 Stimmen den Umzug nach Berlin beschlossen. Dabei hatten sich fraktionsübergreifende Bonn- und Berlin-Gruppen gebildet. Bislang unterhalten noch alle Bundesministerien Dienststellen in Bonn, sechs davon haben sogar noch ihren Hauptsitz in der alten Bundeshauptstadt. Fast die Hälfte der rund 20.000 Ministeriumsmitarbeiter arbeitet noch in Bonn. (dapd)