Tokio. . Drei Monate nach der Tsunami-Katastrophe in Japan sind am Samstag tausende Menschen gegen Atomkraft durch die Straßen in Tokio gezogen. Derzeit sind in Japan 19 der 54 AKWs am Netz. In Fukushima ist der Gau noch nicht unter Kontrolle.
Drei Monate nach dem verheerenden Erdbeben und dem Beginn der Fukushima-Katastrophe sind in Japan Tausende Menschen gegen Atomkraft auf die Straße gegangen. Den Protestzügen im ganzen Land schlossen sich am Samstag Arbeiter, Studenten und Eltern mit ihren Kindern an. Auf Transparenten war zu lesen „Keine Atomkraft“ und „Nie wieder Fukushima“.
In dem AKW war es in Folge der Erdstöße am 11. März zur Kernschmelze gekommen. Seitdem hat die in Japan zuvor eher unscheinbare Anti-Atomkraft-Bewegung an Bedeutung gewonnen. Doch die Zahl ihrer Anhänger bleibt geringer als in Deutschland. „Die Menschen in Japan haben zwar auch ihre eigene Meinung“, sagte der Demonstrant Reo Komazawa. „Aber sie sind nicht so dran gewöhnt wie die Deutschen, sie öffentlich zeigen.“
Die Demonstranten zogen auch vor die Zentrale des Fukushima-Betreibers Tepco, den sie verärgert in Sprechchören als Lügner bezeichneten. Die jüngsten Proteste dürften den Druck der Öffentlichkeit erhöhen, der bereits zum Stillstand eines Großteils der japanischen Atomkraftwerke geführt hat. Im ganzen Land wurden zahlreiche Reaktoren nach turnusgemäßer Wartung nicht wieder ans Netz gebracht, weil zunächst strengere Sicherheitsauflagen umgesetzt werden sollen. Derzeit laufen 19 der 54 AKWs, die vor Fukushima in Betrieb waren. Kritiker warnen aber vor Stromengpässen, und viele Experten halten einen vollständigen Atomausstieg in Japan für wirtschaftlich riskant.
23.000 Todesopfer, 80.000 Vertriebene durch Tsunami
Diese Position wird von den AKW-Gegnern infrage gestellt: „Die Atomlobby sagt, dass die Kosten für umweltfreundliche Energie zu groß seien“, sagte der 59-jährige Ingenieur Yonosuke Sawada. „Dabei ist es viel teurer, dieses Chaos zu beseitigen, und die Wahrscheinlichkeit weiterer lebensbedrohlicher Unfälle ist viel höher.“ Die 28-jährige Kindergärtnerin Yu Matsuda kam mit ihren beiden kleinen Kindern zur Tepco-Zentrale. „Ich möchte, dass meine Kinder draußen spielen können, ohne dass ich mir Sorgen machen muss“, sagte sie.
Die Demonstrationen drei Monate nach Beginn der Katastrophen-Serie aus Erdbeben, Tsunami und Atomunfall bringen auch den für sein Krisenmanagement in die Kritik geratenen Ministerpräsidenten Naoto Kan weiter in Bedrängnis. Kan besuchte am Samstag das Erdbebengebiet im Nordosten Japans, um der vermutlich mehr als 23.000 Todesopfer zu gedenken. 80.000 Menschen mussten ihre Häuser in der verstrahlten Umgebung Fukushimas verlassen. Kan überstand kürzlich im Parlament ein Misstrauensvotum - nachdem er seinen Rücktritt für die Zeit nach Bewältigung der schwersten Katastrophenfolgen angekündigt hatte.
Erst in dieser Woche waren Regierungsberichte veröffentlicht worden, wonach der Schaden und der Austritt von Radioaktivität schlimmer war als zuvor angenommen. Möglicherweise seien die Brennstäbe dreier Reaktoren geschmolzen und hätten sich am Boden der Reaktorkerne gesammelt, aus denen zum Teil strahlende Masse in das Innere der sie umgebenden Sicherheitsbehälter gelaufen sei, hieß es weiter. (rtr/ap)