Lissabon. .
Am liebsten singt der Opernfan in Gesellschaft seiner Freunde die berühmten portugiesischen Fado-Lieder, welche von Liebe, Schmerz, sozialen Problemen und Sehnsucht nach besseren Zeiten handeln. Dieses Fado-Sänger-Talent könnte dem künftigen portugiesischen Regierungschef Pedro Passos Coelho (46) nun zu Gute kommen. Zumal er seinen elf Millionen Landsleuten, die so gerne in Melancholie und Pessimismus versinken, ordentlich den Marsch blasen muss.
Der Vorsitzende der konservativen Sozialdemokraten (PSD) hat in dem Euro-Schuldenland souverän die vorgezogene Neuwahl gewonnen. Der große Verlierer, der Sozialist Jose Socrates (53), verkündete seinen Rücktritt und legte auch das Amt als Parteichef nieder.
„Wir stehen vor schwierigen Zeiten“, stimmte der Arztsohn Coelho die Portugiesen ein. „Portugals Wirtschaft muss wettbewerbsfähiger werden.“ Es müsse endlich Schluss sein mit den allseits beliebten „Mogeleien“. Denn so werde Portugal „nie zu einer entwickelten Gesellschaft reifen“. Man darf gespannt sein, ob diese Standpauke Wirkung zeigt.
Beliebt bei den Frauen
Passos Coelho hatte zwar noch nie Regierungsverantwortung als Bürgermeister oder Minister, ist aber doch ein mit allen Wassern gewaschener Politiker, der die Seele der Portugiesen und die Tücken des politischen Systems gut kennt. Der smarte Wirtschaftsfachmann, der bei Portugals Frauen besonders gut ankommt, diente sich innerhalb von 30 Jahren in der Partei von ganz unten bis zum großen Vorsitzenden hoch.
Als konservativer Oppositionsführer unterstützte er zunächst den bisherigen sozialistischen Ministerpräsidenten Socrates, der mit einer Minderheitsregierung versuchte, das Land vor dem Staats-Bankrott zu retten. Doch im März 2011 zog Coelho die Notbremse, verweigerte einem neuen Anti-Krisen-Paket die Gefolgschaft, weil er es unausgegoren fand. Socrates trat zurück, die vorgezogene Neuwahl machte jetzt für Passos Coelho den Weg an die Macht frei.
Neue Sparauflagen
Portugal, das nun wie Griechenland und Irland am Tropf des Rettungsfonds der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) hängt, wird die nächsten Jahre vor allem einen knallharten Sanierer brauchen. Wegen des riesigen Schuldenbergs müssen EU und IWF dem Pleite-Euro-Land mit 78 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Es ist für die Portugiesen bitter, aber notwendig, dass der Notkredit an neue harte Sparauflagen geknüpft wird, um ein weiteres Fiasko zu vermeiden.
Die Aufgabe der Europäer ist es nun, darüber zu wachen, dass Portugal nicht zum Dauerpatienten wird. Leider sind die Versäumnisse in dem sympathischen Urlaubsland riesengroß. So groß, dass eine baldige Genesung nicht sehr wahrscheinlich ist – und ähnlich wie im Falle Griechenlands in der Zukunft ein zweites milliardenschweres Rettungspaket notwendig werden könnte.