Berlin. . Die Karlsruher Verfassungsrichter erklärten das deutsche Wahlrecht für nicht verfassungskonform. Grund sind die Überhangsmandate. Bis zum 30. Juni haben die Parteien noch Zeit, das Wahlrecht zu reparieren.
Die Zeit drängt. Am 30. Juni läuft die Frist ab, die das Verfassungsgericht setzte, um das Wahlrecht zu ändern. Nun machten Union und FDP einen Vorschlag. Sie wollen, dass jedes Bundesland künftig seine Abgeordneten separat in den Bundestag wählt.
Bisher werden die Landeslisten miteinander verrechnet. Bei Parteien mit Überhangmandaten kann es im Einzelfall dazu führen, dass sich mehr Stimmen nicht rechnen; oder dass weniger Stimmen zu einem Sitz mehr führen. Es ist ein paradoxer Effekt, den die Mathematiker erklären können, der die Karlsruher Richter aber nicht überzeugte. Sie erklärten ihn 2008 für verfassungswidrig.
Nach Analyse von Union und FDP rügte das Gericht nicht die Überhangmandate, sondern ihre Verrechnung. Im Fachjargon: „Negatives Stimmengewicht.“ Das entfällt, wenn Mandate nicht verrechnet werden. So weit das Kalkül von Schwarz-Gelb. SPD und Grüne sind nicht überzeugt.
„Sehen uns in Karlsruhe“
Grünen-Fraktionsmanager Volker Beck rief Union und FDP zu, wahrscheinlich sehe man sich „sehr schnell in Karlsruhe wieder.“ Kleine Parteien können einklagen, dass auch die Fünf-Prozent-Hürde von Land zu Land ermittelt wird statt – wie bisher – bundesweit. Zweiter Kritikpunkt: Würden die Überhangmandate nicht verrechnet, entspreche das Gesamtergebnis womöglich nicht mehr dem Wählerwillen. Die Überhangmandate sind längst eine sechste Fraktion.
Diese Sitze entstehen, wenn mehr Kandidaten direkt gewählt werden als es ihrer Partei nach den Zweitstimmen zusteht. CDU und CSU stellen alle 24 Überhangmandate. Die SPD rechnete aus, das entspreche 1,6 Millionen Zweitstimmen, „für die sie keinen Wähler aktivieren mussten“, so Fraktionsmanager Thomas Oppermann. Indes hat jede Alternative einen Pferdefuß.
Oppermann würde gern an den Überhangmandaten festhalten, das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien dann mit weiteren Mandaten ausgleichen. Folge: Der Bundestag wird aufgebläht.
Die Grünen schlagen vor, die Überhangmandate einer Partei in einem anderen Land von der Liste wieder abzuziehen. Das wäre regional „in hohem Maße ungerecht und unfair“, klagt der CDU-Politiker Günter Krings.
Überhangmandate der CDU entstehen häufig in Sachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Wo könnte man der CDU Listenplätze abziehen? In NRW. Wer hat in der Landes-CDU selten eine Chance, sein Mandat direkt zu holen und ist auf Listenplätze angewiesen? Die Kandidaten im Ruhrgebiet.