Essen. . Wissenschaftler haben den Ehec-Erreger identifiziert. Aber das reicht nicht, um ihn auszuschalten. Eine Seuchen-Katastrophe ist weiterhin möglich.

Nun weiß man also mehr über den Darmkeim. Prof. Helge Karch, Direktor des Instituts für Hygiene am Uniklinikum Münster, hat ihn als „Hybrid-Klon“ identifiziert. Ist das der Durchbruch in der Therapie? Professor Jan Buer, Leiter des Zentrums für Medizinische Biotechnologie, an der Universität Duisburg-Essen, sagt: „Nein.“

Gut, man kennt den Erreger besser, aber das reiche noch nicht, um ihn auszuschalten. Man weiß also, dass der „Hybrid-Klon“ ein Keim in doppelter Ausführung ist: mit einem Anteil Ehec (enterohämorrhagischen Escerichia Coli) und einem Anteil Each (entero-aggregativer Escerichia coli). Es sei das Typische von Bakterien, dass sie „untereinander genetisches Material austauschen“, so Buer. Das Gute daran: Es ist keine neue Kreation, sondern ein alter Bekannter. Der Klon tauchte schon im Bakterienstamm aus 2001 auf. Was den Erreger wieder sehr speziell macht, ist sein „erweitertes Antibiotika-Resistenzspektrum“, so Karch. Penicillin und andere Antibiotika helfen also nicht.

Weiter Warnung vor Verzehr von rohem Gemüse

Die Therapie des gefürchteten HUS (hämolytisch urämisches Syndrom), das zu Nierenversagen, Hirnschäden und Krämpfen führen und tödlich sein kann, sei immer noch die klassische, so Buer: Blutwäsche, Dialyse und auch ein Medikament, das die Nieren schützt. 15 Patienten mit HUS werden an der Essener Uniklinik behandelt, sieben von ihnen sind schwerst erkrankt. Man hofft, dass sie die Krankheit überleben. Die Gefahr, Spätschäden zurückzubehalten, ständig dia­lysepflichtig zu bleiben, sei hoch.

Reinhard Brunkhorst, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologe (Nierenerkrankungen), spricht von Beruhigung, was die „Zahl der Neuinfektionen angeht“. Er hoffe, dass sich dieser Trend bestätige. Allerdings hatte es auch zuvor schon Hinweise auf ein Abflauen der Welle gegeben, die Zahl der Infektionen hatte dann aber wieder zugenommen. Das Robert-Koch-Institut erklärte, der Rückgang der Meldezahlen dürfe „noch nicht als Rückgang der Erkrankungszahlen gewertet werden“.

Nichts Konkretes weiß man. Erst müsse die Quelle der Verunreinigung gefunden werden. Solange wird vor dem Verzehr von rohem Gemüse gewarnt. In den meisten Fällen finde sich die Quelle der Verunreinigung nie, sagt Buer. Was wieder nur heiße: Vielleicht macht sich der Erreger einfach dünne, was die Rettung wäre. Durchaus möglich. Und es ist die große Hoffnung.

Doch es könnte auch anders kommen. Selbst eine Durchseuchung mit Katastrophencharakter könne nicht ausgeschlossen werden.

Es gibt Fortschritte

Zurzeit liefen die Forschungen auf Hochtouren. „Wir in Essen arbeiten daran, wie man das Immunsystem der Patienten so umstellen kann, dass der Keim ihnen nichts mehr anhaben kann. Oder wie man es schaffen kann, dass die Gifte, die das Bakterium absetzt, neutralisiert werden können“, so Jan Buer.

Doch bis man Ergebnisse habe, könne es Jahre dauern. Zwar arbeite man mit Hochdruck an Impfstrategien, doch bis sie marktreif seien, dauere auch das noch Jahre.

Trotz aller Stagnation gibt es auch Fortschritte, so der Mikrobiologe Buer. „Es ist uns ja gelungen, den Keim in rund acht Tagen zu bestimmen. Vor zehn Jahren hat das noch ein ganzes Jahr gedauert.“

Keine rohen Tomaten, Gurken oder Blattsalat, insbesondere aus Norddeutschland – diese bekannte Empfehlung des Robert-Koch-Institutes an die Verbraucher gilt weiterhin. Zwar bleibt die Ursache für die Ehec-Erkrankungen unbekannt. Unter „Verdacht“ stehen die genannten Lebensmittel aber immer noch, denn viele Ehec-Geschädigte haben diese Gemüse roh gegessen.

Wer sicher gehen will, der kocht

Ehec-Erreger können in pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse und Obst vorkommen. Infektionsquelle Nummer eins sind allerdings rohe oder unzureichend erhitzte Lebensmittel, die von Tieren stammen, zum Beispiel Rohmilch, Käse aus Rohmilch, rohes Fleisch und streichfähige Rohwürste wie Zwiebelmett- oder Teewurst.Auch eine Infektion von Mensch zu Mensch (Schmierinfektion) oder durch Kontakt zu Tieren ist möglich. Pasteurisierte und ul­trahocherhitzte Milch gilt als sicher. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) unterstreicht, dass derzeit in Deutschland nichts darauf hinweise, dass tierische Produkte die Quelle dieses neuen, hoch gefährlichen Erregers seien.

Wer in diesen Tagen sicher gehen will, der kocht, brät oder frittiert seine Speisen: Mindestens zwei Minuten lang sollten 70 Grad im Kern des Lebensmittels erreicht werden. Häufiges Händewaschen und Hygiene in der Küche sind zu empfehlen.

Ehec-Erkrankungen gibt es weltweit, sie waren aber auch in Deutschland bisher relativ selten. Der Schnitt liegt bei 900 Fällen im Jahr. Salmonellenvergiftungen kommen wesentlich häufiger vor.Etwa jeder zweite Deutsche hat inzwischen laut einer Forsa-Umfrage wegen Ehec seine Ernährung umgestellt.