Meerbusch. . Viele Bauern wie Andreas Richter vernichten ihre Salaternte, weil sie sie nicht verkaufen können. „Sechs Wochen Arbeit gehen vor die Hunde.“

Der Apelter Weg vor der niederrheinischen Kulisse von Büderich spielt ganz gut Idylle. Felder links und rechts, Kaninchen schlagen Haken, der Weizen schwankt im Wind; nur die Äcker von Andreas Richter wirken völlig unfrisiert. 250 000 Salatköpfe standen hier noch letzte Woche, 100 000 sind schon weg. Zerschreddert, gemulcht und untergepflügt. Tiefe Traktorspuren, darin Strünke!

Ehec-Angst und ihre Folgen. Deutschlands Bauern und das Salatmassaker.

Es ist wieder Tag der langen Messer.

Auf einer Skala von ,Gute Zeiten’ bis ,Schlechte Zeiten’ hat Gemüsebauer Richter gerade Scheiß-Zeiten, wie seine Kollegen auch. „Katastrophe“, sagt er, oder: „Noch nie erlebt.“ Seit Mitte letzter Woche habe er „null Ware abgesetzt“, so der 32-Jährige aus Meerbusch bei Düsseldorf: „Und es sieht nicht nach Besserung aus.“ Jetzt, in der Haupt-Erntezeit! Viele Lollos, Endivien- und Eichblattsalate auf seinen Feldern sind inzwischen übertragen, sind weit größer, als man sie aus den Geschäften kennt. Lollos von 600 Gramm statt der handelsüblichen 300! Wie Mutanten ihrer selbst. Nein, auch ohne Ehec würde die niemand mehr essen. Und dahinter reift schon die nächste, eine Woche später gepflanzte Generation Lollo.

Also hängt Richter einen Mulcher an seinen Pflegeschlepper und fährt mit der zerstörerischen Kraft von 60 PS frontal in den Salat. Vorne kommen die Köpfe unter die Räder, hinten rieseln sie zerfetzt aus dem Mulcher, vermischt mit dem ebenso geschredderten Unkraut, mit Disteln, Brennnesseln und Melde. Später wird er das ganze Grünzeug auch noch unterpflügen. Damit sie hier recht schnell wieder Salat pflanzen können, der in sechs Wochen reif ist.

Wer weiß schon, was in sechs Wochen ist?

„Ich kann nicht einfach eine Woche Taxi fahren, bis die Krise vorbei ist. Ich darf nicht aufhören, zu pflanzen“, sagt Richter. Von seinen fünf Saisonarbeitern hat er zwei in Urlaub geschickt, es gibt ja nichts zu ernten; die anderen wässern und pflanzen weiter. Für den Betrieb rechnet Richter, dass er an jedem Ehec-Tag 1000 Euro Umsatz verliert. Bleibt die Hoffnung auf Weißkohl, Wirsing und Sellerie, die er ebenfalls anbaut und die noch Monate vor der Ernte stehen. „Sonst gehen hier im Herbst die Lichter aus.“

Nochmal hockt er sich zwischen seine dem Tod geweihten Endivien, blättert einen auf: „Alles tip-top in Ordnung. Ich weiß auch nicht, wie ein Keim aus dem Kuh-Darm auf meine Äcker kommen soll.“ Dann klettert er wieder auf den Trecker, dreht eine weitere Runde der Verheerung. „Ein Scheiß Gefühl“, sagt Richter: „Da gehen sechs Wochen Arbeit vor die Hunde.“

Ach so. Manchmal kommen Nachbarn aus Büderich zu ihm und kaufen einen Kopf. Sie wissen schließlich, wo er herkommt. Für die Moral ist das gut. Für einen Betrieb, der wöchentlich 50 000 Köpfe Salat pflanzt, ist es freilich völlig bedeutungslos.