Bonn. .

Die Bundesnetzagentur warnt vor einer sofortigen Stilllegung aller bisher abgeschalteten Kernkraftwerke. Bei einem strengen Winter könnten die Stromnetze vor allem in Süddeutschland in eine kritische Lage geraten.

„Im Winter wird sich die Situation verschärfen“, sagte Behördenchef Matthias Kurth in Bonn. Unter bestimmten Bedingungen könnten die Kapazitäten eng werden. Dies will er noch bis Mitte August näher überprüfen. Es solle aber die Möglichkeit erhalten bleiben, „die fehlende Kapazität auch aus den im Moratorium befindlichen Kraftwerken insbesondere im Süden decken zu können“, betonte er. Ob dies 2012 oder 2013 etwa wegen bis dahin neu gebauter Kraftwerke nicht mehr nötig sei, werde man später sehen.

Nach Kurths Darstellung müssten wohl ein oder zwei der im Zuge des Moratoriums abgeschalteten Alt-AKW in Reserve gehalten werden. „Auch wir gehen davon aus, dass 1000 Megawatt im Süden durchaus zur Verfügung gestellt werden müssen.“ Berechnungen der vier großen Netzbetreiber, wonach unter bestimmten Bedingungen sogar bis zu 2000 Megawatt fehlten, könne er nicht bestätigen. Die Bedenken der Unternehmen zur Versorgungssicherheit seien aber berechtigt. „Wir teilen die Sorge der Netzbetreiber.“

Netzbetreiber schlagen Alarm

Die Netzbetreiber, darunter die RWE-Tochter Amprion und EnBW-Netze, hatten in einem Memorandum für das Wirtschaftsministerium Alarm geschlagen und vor einem Blackout im Winter gewarnt. Um eine Stromlücke gerade in Süddeutschland zu vermeiden, zogen sie auch die Abschaltung von Strom bei Großkunden in Betracht. Wenn die Alt-Meiler weiter vom Netz blieben, fehlten an kalten Wintertagen in Süddeutschland etwa 2000 Megawatt, also die Leistung von zwei AKW.

Risiko steigt im Winter

„Im Sommer bleibt die Situation noch beherrschbar“, sagte Kurth. „Das Risiko steigt im Winter.“ Eng könne es werden, wenn bei sehr kalten Temperaturen ein hoher Stromverbrauch herrscht, sich aber zugleich in einer Flaute keine Windkraftanlagen drehten und wegen fehlenden Sonnenscheins auch Photovoltaik ausfalle. „Unwahrscheinlich ist das nicht.“ Noch schwieriger werde es, wenn dann auch noch eine wichtige Stromleitung von Nord- nach Süddeutschland ausfalle. Dann könne es bereits im Raum Frankfurt ein „kritisches Spannungsniveau“ geben.

Eine Empfehlung zum Atom-Moratorium wollte der Netzagenturchef nicht geben. „Das wird politisch entschieden.“ Die technischen Details eines Ausstiegs seien auch noch nicht geklärt, etwa die Frage, ob Meiler auf Stand-By-Betrieb bleiben könnten. Welche Meiler dafür in Frage kommen sollten, ließ er offen. Im Raum Frankfurt sind derzeit die beiden RWE-Atomkraftwerke Biblis A und B abgeschaltet. Weiter südlich sind es die Anlagen Philippsburg 1, Neckarwestheim 1 und Isar 1.

Viele abgeschaltete AKW im Süden

Im Süden befänden sich die meisten der derzeit abgeschalteten Kernkraftwerke, erläuterte Kurth. Zugleich kämen dort in absehbarer Zeit kaum neue Anlagen hinzu. „In diesem Jahr wird in Süddeutschland nach Kenntnis der Bundesnetzagentur nur das Gaskraftwerk Irsching 4 mit einer Leistung von 530 Megawatt in Betrieb genommen werden können.“

Es solle nun geprüft werden, ob die Stilllegung von zwei Heizölkraftwerken mit zusammen 740 Megawatt verschoben werden kann. Durch das Atom-Moratorium und den bereits zuvor abgeschalteten Meiler in Krümmel fehlen derzeit 8500 Megawatt „Wir raten davon ab, ohne Abstimmung mit den europäischen Nachbarn weitere Kraftwerke vom Netz zu nehmen“, betonte Kurth. (rtr)