Paris. . Der Sex-Skandal um den französischen Top-Sozialisten und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat in Paris ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst. Parteifreunde werfen ihm Sex-Sucht vor. 2002 soll er versucht haben, eine Publizistin zu vergewaltigen.
Der Sex-Skandal um den französischen Top-Sozialisten und IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat in Paris ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst. Nachrichtensender berichten non-stop über die Affäre, die Tageszeitungen berichten auf jeweils bis zu zehn Sonderseiten über „DSK - le drame“. Unterdessen wird DSK auch von der französischen Journalistin und Schriftstellerin Tristane Banon schwer beschuldigt.
Schon 2002 soll er in einer Pariser Wohnung versucht haben, die Publizistin zu vergewaltigen. Aus Rücksicht auf die Familie - DSKs Tochter ist ihre beste Freundin - habe sie keine Anzeige erstattet. Banons Mutter, eine bekannte Sozialistin, behauptet: „DSK ist krank und sex-süchtig.“ Der Parisien meldet, DSK habe sogar Swinger-Klubs aufgesucht, obwohl er damals Minister war.
Der Schock bei den Sozialisten sitzt tief. Bis zum Wochenende war der 62 Jahre alte Sozialist Dominique Strauss-Kahn war der erklärte Hoffnungsträger der „Parti Socialiste“ für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr. Noch vor wenigen Tagen hatte die Parteifamilie in einem ausgelassenen Gratiskonzert an der Pariser Bastille mit 50 000 überwiegend jungen Leuten den 10. Mai 1981 gefeiert, jenes historische Datum, an dem François Mitterrand die Macht im Elysée eroberte. Mit DSK, wie sie den beliebten Politiker in Frankreich nennen, sollte nach drei klar verlorenen Präsidentenwahlen 2012 endlich wieder die Rückkehr in den Palast gelingen.
König aller Umfragen
Der Optimismus der Sozialisten kam nicht von ungefähr: DSK ist seit Monaten König aller Umfragen. So auch in denen aktuellsten, die am Sonntagmorgen veröffentlicht werden, als er schon in einer Arrestzelle der New Yorker Polizei kauert. Sie belegen erneut: Der 62-Jährige ist nicht nur erklärter Favorit der Linken für die Präsidentschaftswahl 2012, auch eine Mehrheit der Franzosen wünscht ihn zum künftigen Staatschef.
Dass DSK nicht nur ein international anerkannter Finanzspezialist sondern auch ein leidenschaftlicher Weiberheld ist, ist kein Geheimnis. Vor drei Jahren, da saß er schon auf dem IWF-Chefsessel, hatte der charmante Bonvivant ein außereheliches Verhältnis mit einer jungen Mitarbeiterin namens Piroska Nagy. Als der delikate Seitensprung bekannt wurde, entschuldigte sich DSK – und seine Frau, die bekannte TV-Journalistin Anne Sinclair, verzieh ihrem Gatten in aller Öffentlichkeit. Es war eine Affäre, die daheim folgenlos bleiben sollte. Denn anders als etwa in den puritanischen USA scheren sich die Franzosen herzlich wenig um das Privatleben ihrer Politiker. Dass die Mächtigen wie schon zu Zeiten der Bourbonen überdies Mätressen haben, gilt im Land des „Savoir vivre“ keinesfalls als Sünde, sondern als Normalfall.
Schon eher als heikel erwies sich für DSK die so genannte „Porsche“-Affäre, die ihn vor wenigen Tagen in die Schlagzeilen brachte. Der Boulevard hatte ein für deutsche Augen an sich harmloses Foto veröffentlicht, auf dem DSK und seine Frau in Paris gerade in einen Porsche Panamera S steigen. Harmlos auch deshalb, weil die Nobelkarosse in Wirklichkeit seinem Berater gehört. Gleichwohl löste das Foto in der französischen Linken einen Sturm der Entrüstung aus. Selbst die linksliberale Zeitung „Le Monde“ verpasste DSK einen schweren Tadel. „Im Land der Revolution passen Luxus und politische Korrektheit nicht zusammen“, zischte der Kommentator.
Ruf eines Champagner-Sozialisten
DSK hat schon seit Langem den in Frankreich unschönen Ruf eines Champagner-Sozialisten weg, der einen verschwenderischen Lebensstil pflegt. In Paris bewohnt der IWF-Chef eine Immobilie an der noblen „Place des Vosges“. Die einstige „Place Royale“, früher Sitz französischer Könige, ist nicht nur einer der schönsten Plätze der Stadt, sondern mit einem atemberaubenden Quadratmeterpreis von 20.000 Euro zugleich die teuerste Adresse der Seine-Metropole. Damit nicht genug: Der Sozialist besitzt ferner ein prachtvolles Anwesen in Marrakesch und profitiert von der Erbschaft seiner sehr wohlhabenden Frau. Soviel Wohlstand sowie die große Nähe zum internationalen Finanzkapital lösen bei vielen Linken krampfartige Bauchschmerzen aus. Ihre Sorge: Könnte DSK ähnlich wie „Bling-bling“-Emporkömmling Nicolas Sarkokzy ebenfalls ein Präsident des Kapitals werden?
Diese Frage stellt sich nach den schweren New Yorker Vergewaltigungsvorwürfen wohl nicht mehr. Sozialisten-Chefin Martine Aubry auch andere führende Parteifreunde versuchten ihr Entsetzen am Sonntag hinter wortreichen Appellen zu verbergen, in denen sie inständig vor einer Vorverurteilung warnen. Ein Rat, den verständlicherweise jedoch nicht alle befolgen wollen. Front-National-Chefin Marine Le Pen sieht „DSK und seine Kandidatur vollends diskreditiert“ und für den Gaullisten Michel Debré hat er „Schande über ganz Frankreich“ gebracht.
Einige Politiker, darunter auch konservative, finden die Sex-Vorwürfe gegen DSK hingegen derart unfassbar, dass sie ihn nicht als Täter, sondern als Opfer einer heimtückischen Intrige sehen wollen. „Er ist auf einer Bananenschale ausgerutscht, die sie ihm unter die Schuhe gelegt haben“, schwadronierte etwa Dominique Paillé, der Vizepräsident der Radikalen Partei.
Zum dritten Mal verheiratet
Dominique Strauss-Kahn wurde 1949 in Neuilly-sur-Seine bei Paris geboren und wuchs in Marokko auf. Die erste von drei Frauen heiratete er als 18-Jähriger. Der Ökonomie-Professor, inzwischen Mitglied der „Parti Socialiste“, wird 1991 Industrieminister, 1995 Bürgermeister von Sarcelles, einer Gemeinde in der Pariser Banlieue, 1997 Finanzminister. Seit 2007 auf Vorschlag von Präsident Sarkozy IWF-Direktor in New York (bis 2012).