Berlin. . Jetzt kommt Rainer Brüderle. Der bisherige Wirtschaftsminister soll nun die Wende bei der FDP schaffen. Dabei könnten die Unterschiede zum designierten Parteichef Rösler kaum größer sein.

Gesichtswahrung ist ein mühsames Geschäft. Seit Montag bastelte der designierte FDP-Parteichef Philipp Rösler an einem Entschädigungspaket für die von ihm aus dem Amt gebetene Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger. Gut einen Tag später, eine Stunde vor Beginn der Sitzung der liberalen Parlamentarier, in der Wirtschaftsminister Rainer Brüderle mit 86 von 90 möglichen Stimmen bis 2013 zum neuen Chef gewählt wurde, platzte der Knoten. „Homburger zieht zurück...endlich!“, simste ein FDP-Funktionär aus den Gesprächen.

Die resolute Frau hat sich ihren Verzicht mit einer Kandidatur für einen von drei Stellvertreter-Posten an der Spitze der Bundespartei abgelten lassen, die am Freitag auf dem Parteitag in Rostock vergeben werden. Der Weg für eine Rochade an der FDP-Spitze, die bis in die Bundesregierung reicht, ist damit frei.

Personal-Rochade

Brüderle wird Homburger. Rösler wird Brüderle (Wirtschaftsminister). Bahr wird Rösler (Gesundheitsminister). Und die Kanzlerin findet es gut. „Sehr hilfreich“ sei die Bereinigung der liberalen Personalkartei, sagte Angela Merkel. Ab nächster Woche könne man sich so endlich wieder auf die Sache konzentrieren – aufs Regieren.

Manche Liberale fragen sich gleichwohl, ob auf dem Wechsel Brüderles dauerhaft Segen liegen kann. Dahinter steht die Annahme, dass zwischen Brüderle und Rösler „politisch Welten liegen“. Erst zu Jahresbeginn hatte Brüderle, der 27 Jahre die FDP in Rheinland-Pfalz führte und seit 15 Jahren Bundes-Vize ist, das Konzept des „mitfühlenden Liberalismus“, für den Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und NRW-Chef Daniel Bahr stehen, als „Säusel-Liberalismus“ abgetan. Spielt Brüderle demnächst im Bundestag allzu schlagzeilenträchtig auf seiner bekannten Klaviatur (Opel-Hilfen? Nein!! - Steinkohle-Subventionen? Nein!!), befürchten manche, dass der Kontrast zu Rösler zu grell werden könnte.

Erste Zweifel an Brüderles Eignung

Brüderle macht keinen Hehl daraus, dass ihm die gefühlte Verschiebung der FDP nach grünlinks nicht passt. Als Chef der 93 FDP-Abgeordneten könnte der Politikfuchs ein „kontraproduktives Gegengewicht bilden“. Vorausgesetzt, er akzeptiert überhaupt die drei „jungen Musketiere“ Rösler/Bahr/Lindner.

Von Brüderle wird ab sofort erwartet, was im Pflichtenbuch eines Fraktionsvorsitzenden steht: Mehrheiten sichern, Andersdenkende und Abweichler rechtzeitig einfangen, Politik „verkaufen“. Hat er die Sekundärtugenden, die seine rhetorisch blässliche Vorgängerin Homburger intern ausgezeichnet haben? Organisationstalent und Strenge brauche man, um „so einen aufgeregten Laden wie den unseren zusammen zu halten“, sagen manche – und zweifeln bereits an Brüderle.

Die Verantwortung ist in der Tat groß: Die FDP dümpelt in Umfragen konstant unterhalb der 5-Prozent-Grenze. Viele in der Fraktion fürchteen um ihre Wiederwahl. Rainer Brüderle, ein 65-Jähriger, der noch vor Wochen als abgeschrieben galt, als er die Atompolitik die Regierung durch einen flotten Spruch in ein schiefes Licht rückte, soll sie retten.