Berlin. .

Die Partei bleibt im Umfragetief und wird von den Grünen abgehängt: Bei der SPD ist momentan wenig in Ordnung. Die Gewerkschaften spüren das und beklagen fehlendes Profil.

Am 1. Mai werden sie wieder Seit’ an Seit’ schreiten, in Bottrop, in Oberhausen. Wie jedes Jahr. Alles hat seine gewohnte Ordnung. Der Schein trügt. Wenig ist in Ordnung in der SPD. Die Gewerkschaften spüren das. „Sie kommt aus ihrem 25-Prozent-Getto nicht heraus“, sorgt sich DGB-Chef Michael Sommer. Der Partei fehle ein „klares Profil“, beklagte er im „Hamburger Abendblatt“.

Leute, die Klartext reden, sind in der SPD-Spitze selten. Dass die Partei bei der Wahl in Baden-Württemberg hinter den Grünen blieb, wird derart schöngeredet, dass sich Ex-Finanzminister Peer Steinbrück in der Fraktion darüber aufregte. Was, wenn der Südwesten zur Pilotregion für den grünen Aufstieg wird? SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte nicht vom Machtverlust von Union und FDP ablenken. Allein deswegen mied er Selbstkritik.

Außerdem sieht er nicht nur schwarz. Erstens, die SPD regiert im „Ländle“. Sie ist im Westen, zweitens, nicht auf die Linke angewiesen. Drittens hat sie mit den Grünen eine Option im Bund. Gerade Ga­briel tat viel dafür, die Grünen an die SPD zu binden, zuletzt bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten.

Umweltthemen verschlafen

Ein Analysedefizit hat die SPD nicht. Sie hat die ökologische Frage zu spät erkannt. Mit ihrem Spitzenpersonal ging sie selten nachhaltig um. Aktuell leidet sie darunter, dass die soziale Frage in den Hintergrund gerät. Die ganze Welt diskutiere gerade ein Thema, den Atomausstieg, „und da haben die Grünen die größte Glaubwürdigkeit“, weiß Gabriel.

Gabriel unterstützt Hochtief

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    Nerven bewahren, Geduld üben: Er spekuliert darauf, dass die Grünen schwächer werden. Unabhängig davon rächt sich bis heute, dass die SPD mit der Agenda 2010 „den Wert der Arbeit infrage gestellt“ habe. So empfindet es Sommer. „Das ist so, als würden die Grünen die Atomkraft verteidigen.“ Die Gewerkschaften ziehen ihre Schlüsse daraus. Sie haben einen Draht zu Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und den Grünen.

    Wieder Sarrazin

    Die mauen Umfragen und die Konkurrenz der Grünen sind nicht der einzige Grund für den Missmut in der Partei. Heute verhandelt der Berliner Verband über den Ausschluss von Thilo Sarrazin, ein Wiedergänger; der Streit über sein Buch brachte der SPD bisher nur Ärger ein.

    Im Mai will man mit Konzepten aufhorchen lassen, etwa zur Energiewende oder auch zur Steuerpolitik. Bislang macht Juso-Chef Sascha Vogt vor allem einen Wischiwaschi-Kurs aus. Über dieselben Themen wie die Partei bereiten auch Arbeitsgruppen der Fraktion Papiere vor. Parallel zu den normalen Strukturen installierte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zudem sieben Arbeitskreise für Zukunftsfragen. „Deutschland 2020“ lautet die Überschrift. Die Federführung übergab er jüngeren Leuten.

    Die Führungsfrage

    Die SPD hat zwei Machtzentren, Partei und Fraktion, Gabriel und Steinmeier. Auffällig wird es, wenn die Reformpolitik auf den Prüfstand kommt, die Regierung Gerhard Schröder, die mit dem Namen Steinmeier verknüpft ist. DGB-Mann Sommer meint, sie habe die Schröder-Zeit „immer noch nicht hinter sich gelassen“.

    Um die Richtungsfrage wird also gerungen. Offen ist aber auch die Führungsfrage. Wer 2013 bei der Bundestagswahl die SPD anführen soll, ist unklar. Gabriel hat das Spiel „die Reise nach Jerusalem“ abgewandelt: Von Mal zu Mal nimmt er nicht einen Stuhl weg. Vielmehr stellt er neue auf, zuletzt für die SPD-Ministerpräsidenten. Jeder kann Kanzlerkandidat werden. Oder Vize-Kanzler.