Stuttgart. . Die Bürger in Baden-Württemberg sollen in einer Volksabstimmung über die Zukunft des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 entscheiden. Das haben Grüne und SPD bei ihren Koalitionsgesprächen vereinbart. Der derzeitige Baustopp soll verlängert werden.
Grüne und SPD in Baden-Württemberg haben bei ihren Koalitionsverhandlungen die entscheidende Hürde genommen. Beide Seiten verständigten sich am Donnerstag in Stuttgart beim umstrittenen Thema "Stuttgart 21" auf eine Volksabstimmung. Der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und SPD-Landesparteichef Nils Schmid sagten nach den ersten Gesprächen über das Konfliktthema, man habe sich darauf geeinigt, den in der Schlichtung vereinbarten Stresstest zu bewerten und dann das Volk entscheiden zu lassen.
Zudem solle der Baustopp verlängert werden, bis das Ergebnis des Stresstestes vorliegt. "Wir werden die Bahn auffordern, keine weiteren Fakten bis zum Stresstest zu schaffen", sagte Kretschmann. Zudem müsse bei dem Test "in der Sache, bei den Prämissen und dem Ergebnis" Transparenz hergestellt werden.
Mit dem in der Schlichtung vereinbarten Stresstest soll die Bahn nachweisen, dass der neue Bahnknoten in Stuttgart in der Spitzenzeit einen Leistungszuwachs von 30 Prozent bringt. Das Ergebnis soll im Sommer vorliegen.
Hohe Hürde für die Volksbeteiligung
Das Ergebnis der Verhandlung einer prominent besetzten Arbeitsgruppe zu dem Thema war mit Spannung erwartet worden, da die Koalitionäre zum Projekt gegensätzliche Positionen vertreten. Die Grünen wollen es auf jeden Fall verhindern, die SPD, die das Projekt befürwortet, hat ihren Wählern eine Volksabstimmung versprochen. Es gilt jedoch als fraglich, ob das Projekt bei einer Volksabstimmung abgelehnt wird - aufgrund der hohen Beteiligungshürde von 30 Prozent der Stimmberechtigten.
Keine eindeutige Aussage gab es dementsprechend zu der Frage, ab wann das Projekt im Lichte des Stresstests als zu teuer und als nicht mehr realisierbar gilt und ob es auch dann eine Volksabstimmung geben soll. Über den Ausgang des Stresstests werde nun nicht spekuliert, sagten Schmid und Kretschmann. Schmid fügte hinzu: "Ich gehe davon aus, dass wir nach dem Stresstest zu einer gemeinsamen Bewertung kommen."
Kretschmann sprach von einer offenen Atmosphäre bei den Koalitionsverhandlungen, obwohl der "Dissens in der Sache" geblieben sei. "Es ist ein schwieriges Thema und wird es auch bleiben", sagte er. Er glaube jedoch, dass man die Sache auf einen guten Weg bringen könne. Schmid fügte hinzu: "Wir sind uns einig, dass wir in der Suche uneinig sind." Die unterschiedlichen Haltungen würden jedoch respektiert und man werde nicht anfangen, sich "gegenseitig zu bekehren".
Landesregierung muss Ausstiegs-Gesetz vorlegen
Nach Auffassung von Schmid und Kretschmann ist eine Volksabstimmung im Einklang mit der Landesverfassung möglich. So müsste die Landesregierung ein Gesetz zum Ausstieg aus dem Projekt einbringen. Im Parlament würde das Gesetz dann voraussichtlich von einer Mehrheit, einschließlich der SPD-Stimmen, abgelehnt. Für diesen Fall sehe Artikel 60 Absatz 3 die Möglichkeit für die Landesregierung vor, über ihr Gesetz eine Volksabstimmung abzuhalten.
Am Freitag sollte die große Verhandlungskommission tagen und über die Ergebnisse der ersten Woche beraten. Einzelheiten zum Volksentscheid soll in einer weiteren Sitzung der "Stuttgart 21"-Arbeitsgruppe am 14. April beraten werden.
Die FDP setzt nach Angaben ihrer Landesvorsitzenden Birgit Homburger indes darauf, dass die SPD den Volksentscheid durchsetzt. Die zögerliche Haltung von Kretschmann mache deutlich, dass sich die Grünen von ihrem Wahlversprechen schleichend verabschiedeten, sagte Homburger.
"Parkschützer" in Stuttgart räumen Zeltlager
Die selbst ernannten "Parkschützer" wollen ihr Zeltlager im Stuttgarter Schlossgarten räumen. Bis Ende April sollen alle Zelte abgebaut werden, teilten die Initiative gegen das umstrittene Bahnprojekt "Stuttgart 21" am Donnerstag mit. Am 8. Mai werde auf der Wiese am Südflügel des Hauptbahnhofs neuer Rasen gesät. Die "Parkschützer" gehen nicht davon aus, dass bis September weitere Bäume im Schlossgarten gefällt werden sollen.
Das Zeltlager war im Anschluss an den Polizeieinsatz zur Einrichtung einer Baustelle für den geplanten Bahnhofsumbau "Stuttgart 21" am 30. September 2010 entstanden. Damals war es zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten gekommen. Es wurden Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt. Über hundert Menschen wurden dabei verletzt. (dapd)