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In NRW hat es möglicherweise eine schwere Atompanne gegeben: Nach eigenen Angaben vermisst die Landesregierung 2285 hoch radioaktive Brennelementekugeln aus dem Forschungszentrum Jülich (FZJ). Das FZJ weist diese Darstellung aber zurück. „Wir vermissen keine Brennelementekugeln“, sagte Sprecherin Anne Rother dieser Zeitung.
Zuvor hatte es eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Markert im Landtag gegeben. Er wollte die genaue Zahl und den Verbleib der Brennelementekugeln aus dem ehemaligen Atomversuchsreaktor in Jülich geklärt wissen – der stillgelegte Reaktor, der von 1967 bis 1988 in Betrieb war, steht auf dem heutigen FZJ-Gelände. In der Antwort der Landesregierung hieß es, dass insgesamt 290 705 Brennelementekugeln während des Reaktorbetriebs eingesetzt worden waren. Davon lagerten nun 288 161 Kugeln in Castor-Behältern im FZJ-Zwischenlager. Daneben seien 197 Kugeln im Reaktor verblieben, 62 Kugeln befänden sich in „heißen Zellen“ des FZJ. Macht eine Differenz von 2285 Brennelementekugeln, die eigentlich nicht so leicht zu übersehen sind: Sie sind jeweils in etwa so groß wie ein Tennisball.
Im Rätselraten um den Verbleib der Kugeln, die außen aus Graphit und im Inneren aus radioaktiven Spaltprodukten bestehen, brach daraufhin Streit aus. NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) vermutete am Wochenende laut „Spiegel“ die Kugeln im niedersächsischen Forschungsbergwerk Asse. Genau lasse sich das aber nicht klären, da die eingelagerten Stoffe in Asse „nicht bekannt sind“.
Forschungszentrum: Die Kugeln sind noch bei uns
Nach Asse gehören die Kugeln aber ohnehin nicht, da dort nur schwach bis mittelradioaktive Abfälle gelagert werden dürfen. Und dort sind sie nach Aussagen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), das seit 2009 für Asse zuständig ist, auch nicht. Denn: „Aus den Unterlagen des alten Asse-Betreibers Helmholtz-Zentrum München geht nicht hervor, dass die jetzt vermissten Brennelementekugeln im Bergwerk Asse lagern“, sagte BfS-Sprecher Werner Nording.
Wo die vermissten Kugeln zu finden sind, ist für FZJ-Sprecherin Anne Rother dagegen klar – nämlich im Forschungszentrum Jülich. Nach ihrer Aussage handelt es sich dabei um „Kugelbruch“. Heißt: kaputte Kugeln. Diese befänden sich noch in dem Reaktorbehälter oder seien „lagerfähig einzementiert“.
Dazu Rother: „Bei den einzementierten Kugeln handelt es sich im Wesentlichen um Kugeln, die während der Betriebszeit des Versuchsreaktors zerbrochen sind und dem Forschungszentrum vom damaligen Betreiber zur Zwischenlagerung übergeben wurden.“ Daneben seien Kugeln für Forschungszwecke untersucht und einzementiert worden. Wie viel dieses Kugelbruchs wo genau lagere, könne man noch nicht sagen. Der Verbleib der Kugeln in Jülich sei der Landesregierung aber bekannt gewesen.
Grüner Umweltminister greift Röttgen an
Das wiederum dementieren politische Kreise. Wie es gegenüber der WAZ-Mediengruppe hieß, sei die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage mit dem FZJ abgestimmt gewesen. NRW-Wissenschaftsministerin Schulze forderte am Sonntag Klarheit über die Lagerung der Kugeln. Landesumweltminister Johannes Remmel (Grüne) griff Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) an. „Der Vorgang ist absolut alarmierend. Die Bundesregierung, und hier insbesondere der für Strahlenschutz zuständige Bundesumweltminister, muss schnellstens lückenlos aufklären.“ Hintergrund ist, dass das Forschungszentrum Jülich eine öffentlich finanzierte Einrichtung ist. Gesellschafter sind zu 90 Prozent der Bund und zu zehn Prozent das Land NRW.
Remmel kritisierte weiter, es könne nicht sein, dass der Verbleib von 2285 Kugeln unklar sei. „Hier handelt es sich nicht um Kinderspielzeug.“ Nach Berechnung des Grünen-Abgeordneten Markert stecken in den Kugeln 2,2 Kilogramm Uran 235 und 23 Kilogramm Thorium 232. Dies reiche für mehrere schmutzige Bomben.