Berlin. . Rasante Kurswende: Die FDP will die derzeit acht abgeschalteten Kernkraftwerke in Deutschland nie wieder ans Netz lassen. Der Plan stößt nicht nur bei Energieversorgern und Union auf Unverständnis.

Rasante Kurswende: Die FDP will die derzeit acht abgeschalteten Kernkraftwerke in Deutschland nie wieder ans Netz lassen. Bei den verbleibenden neun Atomreaktoren sollen die Laufzeiten deutlich verkürzt werden, um die Wende hin zu erneuerbaren Energien schneller zu schaffen.

Mit diesem Vorstoß will FDP-Generalsekretär Christian Lindner nach den Wahlniederlagen seiner Partei in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Liberalen politisch wieder in Vorderhand bringen. Mit der Union ist der Vorschlag nicht abgesprochen. Es zeichnet sich ein neuer Konflikt in der schwarz-gelben Koalition ab.

Rot-Grün äußere „abstruses Wunschdenken“

Lindner forderte ungeachtet der laufenden dreimonatigen Denkpause (Moratorium zur Sicherheitsüberprüfung) eine sofortige öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit der Atomindustrie. Darin soll rechtsverbindlich festgeschrieben werden, wann das letzte AKW in Deutschland vom Netz geht. Auf Basis der geltenden Laufzeitverlängerung sollte das bisher circa 2040 sein. Lindner will sich auf eine Jahreszahl nicht festlegen. Nur so viel: 2020, wie es Rot-Grün, in Aussicht stellt, sei „abstruses Wunschdenken“.

Eine Übertragung von Restlaufzeiten alter Atommeiler auf neuere Anlagen hält Lindner „für politisch nicht gewollt“. Er geht davon aus, dass die AKW-Betreiber dem Modell zustimmen werden, weil in Deutschland nach der Katastrophe von Japan letztlich die „Akzeptanz“ für die Atomkraft abhanden gekommen sei. Außerdem zeichne sich ab, dass die Rentabilität einzelner Meiler nach den zu erwartenden teuren Sicherheitsnachrüstungen nicht mehr gegeben sei, sagte Lindner.

In den Konzernzentralen der AKW-Betreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall reagierte man verstört. „Mit uns hat keiner bisher über eine dauerhafte Abschaltung der Anlagen und eine Verkürzung der Laufzeiten gesprochen“, erklärte ein Sprecher.

Gegenwind erwartet

In seiner eigenen Partei erwartet der Generalsekretär für seinen Vorstoß einigen Gegenwind. „Es wird Diskussionen geben.“ Der Ausstieg aus der Kern-Energie sei prinzipiell unstrittig. „Es geht jetzt um die Länge und Umstände des Bremswegs.“

Unions-Fraktions-Vize Michael Fuchs reagierte ungehalten auf den Vorstoß des Koalitionspartners. „Jetzt schon über Laufzeitverkürzungen zu reden, halte ich für völlig falsch“, sagte er dieser Zeitung. „Es kann nicht sein, dass wir ein Moratorium machen und so tun, als wüssten wir vorher schon die Ergebnisse. Ich kann es nicht nachvollziehen und halte es für unklug, jetzt übereilt Entscheidungen zu treffen.“

Hintergrund: Union und FDP hatten sich darauf verständigt, erst die Ergebnisse einer technischen Untersuchungskommission sowie eines Ethik-Rates zur Atomenergie abzuwarten und danach, Mitte Juni, über den Fortbestand der Atomkraft zu entscheiden.