Berlin. . Die Liberalen ahnen die Existenzkrise, wissen aber keinen Ausweg. Eilends erlegte Bauernopfer soll es nicht geben. Im Vorstand waren Rücktrittsforderungen Richtung Westerwelle Mangelware. Es soll „geordnet“ diskutiert werden, betont der FDP-Chef.
Wolfgang Gerhardt muss überdurchschnittlich sauer gewesen sein auf seinen Nachfolger. Nachdem Guido Westerwelle die FDP-Misere bei den Landtagswahlen am Sonntag ausschließlich mit der japanischen Atomkraftkatastrophe erklärte, griff der ehemalige Parteivorsitzende am Montag öffentlich zum Korrekturstift: "Es hat uns auch deshalb so schwer erwischt, weil wir seit geraumer Zeit Vertrauen, Ansehen und Sympathie verloren haben", stellte Gerhardt fest. Prompt drehte Westerwelle bei. "Wenn wir besser in Form gewesen wären", sagte der Außenminister am Montagmittag zwischen zwei Gremien-Sitzungen, dann hätte der GAU in Fernost die FDP auch "nicht so empfindlich getroffen".
Liberalen ahnen die Existenzkrise
Und nun? Die Liberalen ahnen die Existenzkrise, wissen aber noch keinen Ausweg. Eilends erlegte Bauernopfer, so viel steht fest, soll es nicht geben. Im Vorstand, sieht man vom ewig berserkernden Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki ab, waren Rücktrittsforderungen und Animositäten Mangelware. Es soll "geordnet" und "überlegt" diskutiert werden, sagt Westerwelle. "Solange bis sich Mehrheiten herausmendeln", spöttelt ein NRW-Liberaler. Zwei Wochen Zeit nimmt man sich dafür. Am 11. April soll sie dann stehen, die neue Führungscrew, die auf dem Parteitag Mitte Mai in Rostock die FDP für zwei Jahre übernehmen wird. Mannschaft: offen. Kapitän: auch.
Vom Hof jagen lässt sich Westerwelle nicht
Alt-Liberale wie Gerhard Baum und Burkhard Hirsch sehen das Talente-Triumvirat Christian Lindner (Generalsekretär), Daniel Bahr (NRW-Chef) und Philipp Rösler (Gesundheitsminister) in der Pflicht. Für die FDP-Oldies, aber nicht nur für sie, stinkt der Fisch vom Kopf her. Guido Westerwelle versuche quasi seit der Bundestagswahl 2009 die Abwärtsspirale der FDP zu durchbrechen. Vergebens. Nun sei es Zeit, anderen das Ruder zu überlassen.
Der Außenminister schloss für sich nichts definitiv aus. Vom Hof jagen lässt er sich indes nicht. "Ich mache meine Arbeit mit großem Engagement und viel Herzblut", sagte der 49-Jährige, um jeden Verdacht der Amtsmüdigkeit zu zerstreuen. Westerwelle will den Flurschaden nach den Niederlagen von Stuttgart und Mainz sozialisieren, sagen seine Kritiker. Darum soll tief in die Parteibasis hineingehorcht werden bei der Konzeption der künftigen Parteispitze. Westerwelle sei nur "ein Teil des Problems", formulieren seine Weggefährten. Ganz im Sinne des Chefs, der in diesen Tag noch öfter davon sprechen wird, dass die FDP "insgesamt" besser werden müsse. Nur wie?
Keiner will in den Schuldturm
Manches spricht dafür, dass die Bundes-Vize Brüderle und Pieper sowie die Fraktionschefin im Bundestag, die baden-württembergische Landeschefin Birgit Homburger, auf dem Parteitag in Rostock Mitte Mai um eine Laufzeitverlängerung tapfer werden kämpfen müssen. Der Wirtschaftsminister, zuletzt als ordnungspolitischer Aktivposten relativ gut angesehen, hat sich mit seiner Pro-Atom-Beichte vor Industrie-Bossen unmittelbar vor der Wahl und der Pleite in seinem Landesverband Rheinland-Pfalz im eigenen Lager zum Schwervermittelbaren gemacht. Frau Pieper, Vorsitzende in Sachsen-Anhalt, wird schon länger in der Kategorie politischer Ultra-Light-Flieger geführt. Und Birgit Homburger, Frontfrau der FDP im Bundestag, ist trotz gefürchteten Durchsetzungsvermögens nach innen in der Außendarstellung vielen zu blass. Problem: Keiner von ihnen will in den Schuldturm. Alle stellen sich auf den Standpunkt: Soll erst mal einer kommen, der besser ist als ich. Lindner, Rösler und Bahr, die intern Meistgenannten, bleiben in Deckung. Keiner von ihnen ist über 40. Sie wollen nicht die "Trümmermänner" beim Wiederaufbau der FDP werden. Der Neuanfang soll "unter Führung von Guido Westerwelle" bewerkstelligt werden, sagen sie. Es ist ihr Wunsch. Viel mehr nicht.