Berlin. Nach einem Höhenflug stehen die Liberalen nach den Landtagswahlen vor einem Trümmerhaufen: Es mangelt an politischen Erfolgen - und der Vorsitzende betonte zwar bereits, er werde nicht zurücktreten. Dennoch wird die Niederlage auch ihm angelastet
Bis zuletzt hatte die FDP gehofft, dem drohenden Desaster in ihren Stammländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu entkommen. Nach der verlorenen Wahl vor einer Woche in Sachsen-Anhalt versuchte die Partei noch einmal, ihren überraschenden Atom-Schwenk und ihre Haltung in der Libyen-Frage zu erklären. Am Ende nützte dies ebenso wenig wie die forcierten Warnungen vor einem Linksbündnis. In Baden-Württemberg ist das schwarz-gelbe Bündnis am Ende. Nur mit Hängen und Würgen schafften die Liberalen den Wiedereinzug in den Landtag. In Rheinland-Pfalz, wo die FDP fest zum Inventar gehörte, ist sie nicht mehr im Parlament vertreten.
Damit ist die Partei eineinhalb Jahre nach dem Hoch bei der Bundestagswahl auf einem Tiefpunkt angelangt, der ein heftiges internes Gewitter nach sich ziehen dürfte. Parteichef Guido Westerwelle stehen schwere Wochen bevor, bis am 11. April über seine Kandidatur auf dem Parteitag im Mai entschieden wird. Die Landtagswahlen hatte er zu einer Abstimmung über seine politische Zukunft gemacht, indem er eine erneute Kandidatur bewusst offengelassen hat. Mehr denn je hängt sein weiterer Werdegang vom Wohl und Wehe seiner Kritiker und vor allem ihres Mobilisierungswillens ab. Doch auch andere Führungspersonen müssen sich auf heftiges Donnergrollen gefasst machen - allen voran Parteivize Rainer Brüderle.
Weit entfernt ist die Partei von den Ergebnissen vor fünf Jahren mit 10,7 Prozent in Baden-Württemberg und acht Prozent in Rheinland-Pfalz. Da kann es kein Trost sein, dass auch die CDU im Südwesten erhebliche Einbußen zu verzeichnen hat. Westerwelle versuchte mit ernster Miene in der FDP-Zentrale gar nicht, das Ergebnis schönzureden und sprach von einem "schweren Abend" für die Liberalen. Aber schon vor Schließung der Wahllokale war zu hören, er werde nicht zurücktreten.
Nicht nur die Atompolitik ist schuld am Absturz
Vor allem die aktuellen politischen Themen ließen die FDP auf den letzten Metern nicht los. Die Partei gehörte einst zu den energischsten Befürwortern der Atomkraft und kann ihrer Stammklientel die überraschend eingeleitete Kehrtwende nicht wirklich erklären, zumal sich nach der Katastrophe in Japan an der Situation in Deutschland nichts verändert hat. Die umstrittenen Äußerungen von Wirtschaftsminister Brüderle nährten zudem den Verdacht vieler Bürger, dass die Koalition das Atom-Moratorium aus wahltaktischen Gründen verhängt hat. Dies hat Brüderle erheblich Ansehen gekostet. Nicht zuletzt die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zur Libyen-Resolution, mit der sich Deutschland international isoliert hat, brachte den Außenminister und seine FDP in Erklärungsnot.
Die Sondereffekte werden der FDP ein Stück weit als Erklärungsmuster für den Absturz dienen. Westerwelle betonte bereits, in beiden Bundesländern sei die erfolgreiche Arbeit der FDP in den Hintergrund geraten; in Wahrheit habe es sich um eine Abstimmung über die Atomkraft gehandelt. "Wir haben verstanden", versprach er.
Fragezeichen hinter Homburger, Brüderle - und Westerwelle
Zur bitteren Wahrheit gehört allerdings, dass sich seit der verpatzten NRW-Wahl vor knapp einem Jahr die Lage der Partei nicht verbessert hat, in den Umfragen im Bund dümpelt sie weiter bei fünf Prozent. Nach Ansicht von Meinungsforschern sind die FDP-Anhänger bitter enttäuscht, weil die Partei kaum Erfolge vorzuweisen hat. Die große Steuerreform etwa, die die Liberalen lange Zeit wie eine Monstranz vor sich hertrugen, war von Kanzlerin Angela Merkel beerdigt worden. Westerwelle wurde zudem lange Zeit in seinem Regierungsamt nicht richtig warm.
Schwierig dürfte es jetzt auch für die Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Birgit Homburger und Rainer Brüderle, werden. Die Bundestags-Fraktionschefin Homburger ist in der Partei ohnehin nicht unumstritten. Von ihrem Landesverband wurde sie bereits im Sommer des vergangenen Jahres für die Politik von Schwarz-Gelb im Bund abgestraft: Die Delegierten bestätigten die Landesvorsitzende damals mit gerade einmal knapp 67 Prozent der Stimmen im Amt. 2008 hatte sie noch über 85 Prozent auf sich vereinen können. Das Debakel bei der Landtagswahl rechtfertigte sie mit der Debatte über die Kernenergie. Der Wahlkampf sei emotionalisiert worden, sagte sie der ARD.
Westerwelles Weg
Noch enger wird es aber vermutlich für Brüderle, der auch Vize-Vorsitzender im Bund ist. Denn nicht zuletzt die sogenannte Protokoll-Affäre um den Wirtschaftsminister brachte die FDP wenige Tage vor den wichtigsten Wahlen des Jahres ins Schlingern: Brüderle soll beim Industrieverband BDI die Atomwende mit den Wahlen begründet haben. Damit habe er der Glaubwürdigkeit der Liberalen geschadet, murren einige Parteifreunde. Brüderle selbst war sich am Abend hingegen keiner Schuld bewusst. Die Wahl sei überlagert worden durch die Atomkatastrophe in Japan, den Krieg in Libyen und die Euro-Krise, sagte er in Mainz.
Westerwelle will Parteichef bleiben
Schließlich wird auch die Führungsdebatte um Westerwelle wieder losgehen. Der oberste Freidemokrat hatte sich nach dem Umfragedesaster des vergangenen Jahres und der parteiinternen Debatte über seine Zukunft gerade wieder aufgerappelt und vor allem außenpolitisch an Profil gewonnen. Westerwelle denke nicht daran, zurückzutreten, lautete am Sonntagabend prompt die Klarstellung aus Parteikreisen.
Doch die Schlappe bei den drei Landtagswahlen wird wohl spätestens auf dem Bundesparteitag Mitte Mai Folgen haben. Denn dann steht die FDP-Führung zur Wiederwahl. Im Präsidium wird am 11. April erstmals über die künftige Führung gesprochen. Die Frage nach Alternativen zu Brüderle, Pieper, Homburger und vielleicht auch zu Westerwelle wird sich da wohl aufdrängen. (dapd/ rtr)