Berlin. . Es ist ein historischer Erfolg für die Grünen. Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern bundesweit. Erstmals können sie sich berechtigte Hoffnungen machen, einen Ministerpräsidenten zu stellen. Doch mit der Macht kommt auch die Verantwortung.

Der Jubel der mehreren hundert Grünen-Anhängern in der Berliner Parteizentrale kannte keine Grenzen, als die Prognose aus Baden-Württemberg über die Bildschirme flimmerten. „Das ist eine historische Zäsur in 31 Jahren grüner Geschichte“, rief die überglückliche Parteichefin Claudia Roth angesichts des möglichen ersten grünen Ministerpräsidenten. Damit sind die aus Bürgerinitiativen, der Anti-Atomkraft-Bewegung und meist links orientierten Gruppierungen entstandenen Grünen aufgestiegen in die Liga der einst bekämpften Volksparteien.

Ob die Grünen allerdings dieses Niveau werden halten können, ist zweifelhaft. Zu deutlich war der Meinungsumschwung in der Bevölkerung nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Zwar versuchten alle Parteien auf dieses Ereignis zu reagieren - Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa erließ das umstrittene AKW-Laufzeiten-Moratorium. Aber vor allem die Grünen profitierten von der Angst vor dem Super-GAU, da sie am glaubwürdigsten den Ausstieg aus der Kernenergie verkörpern. Ob die Reaktorkatastrophe im 10.000 Kilometer entfernten Japan auch die Wähler wie noch bewegt, wenn im September in Berlin gewählt wird, darf angezweifelt werden.

Besondere Bewährungsprobe für Kretschmann

„Natürlich ist die Wahl in Baden-Württemberg Rückenwind für die Grünen“, sagt Renate Künast, die in sechs Monaten Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ablösen will. Von einer Sonderkonjunktur der Grünen wollen sie und andere Spitzen-Grüne am Wahlabend nichts wissen. „Den entscheidenden Stimmenzuwachs haben die Grünen vor dem Tsunami gehabt“, sagt etwa der ins Europa-Parlament gewechselte ehemalige Parteichef Reinhard Bütikofer.

Vor einer besondere Bewährungsprobe steht Winfried Kretschmann. Er wird aller Voraussicht nach in Baden-Württemberg beweisen müssen, dass auch Grüne Regierungen führen können. Der schwerste Brocken dürfte der umstrittene Bahnhofsumbau Stuttgart 21 sein. Die Grünen lehnen das Projekt ab und wollen eine Entscheidung mit einem Volksentscheid erzwingen. Wird der Bahnhofsumbau abgelehnt, wird das Land viel Geld zahlen müssen. Wird aber weitergebaut, werden sich wohl viele Wähler enttäuscht von den Grüne abwenden. Stellt sich das aber ein, dürfte das über Baden-Württemberg hinaus wirken.

Aus Rot-grün wird Grün-rot

Eine weitere Schwierigkeit liegt möglicherweise im Umgang mit dem Wunschpartner SPD. „Das Verhältnis SPD-Grüne ist spätestens heute abend anders“, erklärt Parteichefin Roth kurz nach Schließung der Wahllokale. Zwar ist die SPD im Südwesten bereit, sich den Grünen unterzuordnen. Im Bund sieht das aber anders aus. Noch vor Wochen erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel, die Grünen seien nicht breit genug aufgestellt, um eine Landesregierung zu führen - und schon gar nicht eine Bundesregierung. Was dies für die weitere Zusammenarbeit bedeutet, muss sich erst noch herausstellen. Künast jedenfalls stellt schon mal klar: „Schwarz-Grün ist nicht ausgeschlossen.“ Hier komme es auf Inhalte und natürlich Wahlergebnisse an.

Einig sind sich alle Spitzen-Grünen, dass man dem Ziel, Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl 2013 abzuwählen, ein Stück näher gekommen ist. „Das war eine schallende Ohrfeige“, triumphiert Roth. Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle hätten die Quittung für ihren Wankelmut bekommen. Bundespolitisch seien die nächsten Schritte klar: „Der Bundesrat wird eine deutlich grünere Stimme bekommen.“