Es ist atemberaubend, mit welcher Geschwindigkeit Schwarz-Gelb jahrzehntelang geltende Werte beiseitefegt. Der Beschluss, sich in der Libyen-Frage nicht an die Seite der westlichen Allianz und arabischen Staaten, sondern an die Chinas und Russlands zu stellen, ist eine verstörende Volte der Berliner Regierung – aber mitnichten ihre erste.
Ob Euro, Energiepolitik oder Libyen – die Kanzlerin verliert sich in einer sprunghaften Krisenpolitik, agiert wetterwendisch, offenbar getrieben von der Sorge, innenpolitisch Macht einzubüßen. Eine klare Linie, die dem Führungswillen und der Verantwortung eines der stärksten Industrieländer entspricht, ist nicht erkennbar.
Der Bedeutungsverlust hat im Mai des vergangenen Jahres seinen Lauf genommen. Im Gefolge der Euro-Rettungsaktionen zugunsten Griechenlands und Irlands hat sich die Architektur der Währungsunion gravierend geändert. Von der einstigen Stabilitätspolitik, die gerade den Deutschen immer heilig war, ist kaum etwas geblieben. Keine automatischen Strafen bei ausufernder Verschuldung, stattdessen der Aufkauf von Staatsanleihen – die Währungsunion steht auf dem Kopf.
Die Kanzlerin als Getriebene. Noch offensichtlicher wird das in der Sofortabschaltung von sieben Atommeilern. Zwischen „sicher“ und „als Risiko nicht mehr tragbar“ lag eine Woche des Grauens, geprägt von der Katastrophe in Japan. Merkel zog blank im Affekt. Auch wenn andere Länder ihre Atomprogramme prüfen – so weit wie die Bundesregierung ging keines. Eine solche Politik ist schwer erklärbar, zumal, wenn sie in den Dauerbetrieb geht. Umweltminister Röttgen findet, die Frage der AKW-Sicherheit unterliege der gesellschaftlichen Bewertung, und die habe sich durch Japan verändert. Wer so Politik macht, gibt Politik auf.
Und Libyen. Das Verhalten des Außenministers, der sich in Ägypten nach dem Sieg der Opposition herzen, die Libyer in ihrer Not hängen lässt, hat Folgen. Deutschland verabschiedet sich in Lichtgeschwindigkeit aus der internationalen Führungsrolle.