Bengasi. . Ein Gebiet bei Bengasi ist am Samstagmorgen erneut von einem Flugzeug aus angegriffen worden, das anschließend offenbar durch so genanntes “Friendly Fire“ abgeschossen wurde. Eine Intervention durch Frankreich kann „binnen Stunden“ beginnen.

Das am Samstag über der libyschen Hafenstadt Bengasi abgeschossene Kampfflugzeug ist wahrscheinlich nicht von Auftsändischen heruntergeholt, sondern Opfer des Feuers der eigenen Truppe geworden. "Das Zusammenwirken von Steilfeuer und niedrig fliegender Luftwaffe erfordert einen enormen rechnergestützten Koordinierungsaufwand", sagte ein Bundeswehrstabsoffizier aus dem Bereich Luftraummanagement der Nachrichtenagentur dapd am Samstag in Berlin. Es sei deshalb wahrscheinlich, dass libysche Artillerie das Luftfahrzeug beschädigte und zum Absturz brachte.

Zuvor war das Gebiet südwestlich der libyschen Stadt Bengasi von dem Flugzeug aus angegriffen worden. Nach Beobachtungen von Journalisten der Nachrichtenagentur AFP stiegen mehrere Kilometer von Zentrum entfernt zwei Rauchwolken auf. Der Flugzeuglärm war auch im Zentrum der Rebellenhochburg Bengasi zu hören. Die ganze Nacht waren demnach Explosionen zu hören, wobei unklar war, ob es sich um Bombenangriffe oder Luftabwehrgeschütze handelte.

Regierungssprecher Ibrahim Mussa wies den Bericht über den Abschuss eines Regierungsflugzeugs zurück. Auch hätten Regierungstruppen am Samstag keine libyschen Städte beschossen, erklärte er. Vielmehr seien es die Aufständischen, die die Waffenruhe brächen, indem sie militärische Einheiten angriffen. "Unsere Streitkräfte ziehen sich weiterhin zurück und verstecken sich, aber die Rebellen beschießen und provozieren uns weiter", sagte Mussa der AP.

Die libysche Führung hatte am Freitag als Reaktion auf eine neue UN-Resolution eine sofortige Waffenruhe erklärt. Die Aufständischen und die libysche Führung warfen sich jedoch gegenseitig die Missachtung der Waffenruhe vor. Die am Donnerstag in New York verabschiedete Resolution erlaubt, eine Flugverbotszone über Libyen und eine Waffenruhe „mit allen nötigen Maßnahmen“ durchzusetzen, um die Gewalt gegen die Opposition und Zivilisten zu stoppen.

Frankreich erwartet baldige Intervention

Unter anderem, weil Gaddafi sich nicht an seine Ansagen hält, ist mit einer internationalen Militäraktion in Libyen möglicherweise schon an diesem Wochenende zu rechnen. Frankreichs UN-Botschafter Gérard Araud geht davon aus, dass eine Intervention „binnen Stunden“ nach dem Libyen-Gipfel beginnen könne, der am Samstag in Paris stattfinde, sagte er. Washington, Paris und London verstärkten ihren Druck auf die libysche Führung, die wiederum den Rebellen die Missachtung der Waffenruhe vorwarf.

Der Gipfel in Paris sei „ein guter Moment, zum ein letztes Signal zu senden“, sagte der französische UN-Botschafter Araud dem Fernsehsender BBC. „Die USA, Großbritannien und Frankreich haben ein Ultimatum für die Waffenruhe gestellt ... wir haben die Bedingungen festgelegt“. Er gehe davon aus, „dass nach dem Gipfel, ich denke in den darauffolgenden Stunden“, die militärische Intervention beginnen werde. Zu dem Gipfel kommen Vertreter der EU, der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union (AU) zusammen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Außenministerin Hillary Clinton haben zugesagt.

In einer gemeinsamen Erklärung hatten Frankreich, die USA, Großbritannien und mehrere arabische Länder Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi am Freitagabend zu einem „sofortigen Ende“ der Angriffe aufgefordert. Der Vormarsch auf Bengasi müsse gestoppt, die Truppen aus Adschdabija, Misrata und Sawija abgezogen werden. „Dies ist nicht verhandelbar“, heißt es in der vom Präsidentenpalast in Paris veröffentlichten Erklärung. Wenn Gaddafi sich nicht der UN-Resolution 1973 beuge, werde diese „mit militärischen Mitteln durchgesetzt“.

Westerwelle verteidigt Stimmenthaltung

Deutschland hatte sich bei der Abstimmung über die Flugverbotszone enthalten: Diese Haltung muss Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nun verteidigen. Luftangriffe seien in der Vergangenheit nicht immer erfolgreich gewesen, sagte Westerwelle am Freitagabend in den ARD-“Tagesthemen“. In diesem Fall bestehe die Gefahr „militärischer Weiterungen“. Er verstehe die Kritik an der Stimmenthaltung Deutschlands bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat. Die Bundesregierung könne aber nicht Soldaten in alle Länder entsenden, in denen Unrecht geschieht.

Westerwelle verwies darauf, dass sich Deutschland weltweit mit 7.000 Soldaten militärisch engagiert hat. An einem Einsatz in Libyen wolle sich Bundesregierung jedoch nicht beteiligen. Die Motive für ein Flugverbot seien ehrenwert und die Regierung akzeptiere sie. Deutschland habe jedoch im Sicherheitsrat nicht zustimmen können, weil es sich sonst verpflichtet gesehen hätte, auch selbst Soldaten für die Errichtung der Flugverbotszone zu stellen.

Westerwelle: „keineswegs Tatenlosigkeit“

Westerwelle sagte, Deutschland sei mit seiner Haltung in EU und NATO keineswegs isoliert. Auch andere NATO-Länder wollten sich nicht an Flugverbotszone beteiligen. Die USA, die für die Flugverbotszone gestimmt hatten, akzeptierten die Haltung Deutschlands. Auch sei man sich in dem Ziel einig, das System von Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi zu beenden.

Westerwelle betonte, die Alternative zu militärischem Eingreifen sei keineswegs Tatenlosigkeit. Die Bundesrepublik setzte sich bereits seit längerem für schärfere Sanktionen gegen Gaddafi ein und werde dies auch beim Gipfeltreffen am Samstag in Paris tun. (afp/dapd)