Kairo/Tripolis. . Die USA machen Libyens Machthaber Gaddafi Druck. US-Präsident Obama droht, die Flugverbotszone über Teilen von Libyen notfalls mit Gewalt durchsetzen. Schwere Explosion in Rebellen-Hochburg Bengasi.

In der libyschen Rebellenhochburg Bengasi hat sich am Freitagabend eine schwere Explosion ereignet. Wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, waren anschließend Flugabwehrgeschosse in demselben Bezirk in der ostlibyschen Stadt zu hören, in dem sich die Explosion ereignete. Details blieben zunächst unklar. Die libysche Führung hatte zuvor einen Waffenstillstand angekündigt, dieser war aber von der internationalen Gemeinschaft mit Skepsis aufgenommen worden.

Truppen des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi rücken einem Medienbericht zufolge trotz einer zuvor erklärten Waffenruhe rasch auf die Rebellenhochburg Bengasi vor. Es fänden Kämpfe mit Aufständischen in den Ortschaften Al-Magrun und Sluk etwa 50 Kilometer von Bengasi entfernt statt, berichtete der Fernsehsender Al-Dschasira unter Berufung auf seine Korrespondenten in der ostlibyschen Stadt am Freitag.

Nato bereitet sich auf Militärschlag vor

Nach wochenlangem Zögern in der Libyen-Krise macht die Internationale Staatengemeinschaft ernst und bereitet sich auf einen Militärschlag gegen Machthaber Muammar Gaddafi vor. Wenige Stunden nach Verabschiedung einer UN-Resolution für die von den Aufständischen geforderte Flugverbotszone begann Großbritannien am Freitag mit der Verlegung von Kampflugzeugen in die Region, die USA verlegten weitere Landungsboote ins Mittelmeer.

US-Präsident Barack Obama drohte Gaddafi mit militärischen Schritten und forderte das Ende aller Angriffe auf Zivilisten. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kündigte an, bis zum Wochenende würden alle Vorbereitungen für einen Einsatz abgeschlossen sein. Libyens Regierung, deren Truppen in den vergangenen Tagen die Rebellen immer weiter zurückgedrängt hatten, lenkte offenbar ein und verkündete eine einseitige Feuerpause. Allerdings wurden weiter schwere Gefechte aus dem Land gemeldet.

Aufständische jubeln über Beschluss zu Flugverbotszone

Mit Jubel und Schüssen in die Luft feierten die Aufständischen in der von Regierungstruppen bedrohten Rebellenhochburg Bengasi die gute Nachricht. Mit wüsten Drohungen an die Adresse der Internationalen Gemeinschaft reagierte hingegen Libyens Gewaltherrscher Muammar Gaddafi auf die vom UN-Weltsicherheitsrat beschlossene Flugverbotszone.

Der Diktator zeigte sich noch am Morgen völlig unbeeindruck von dem Votum der Vereinten Nationen. Jeden werde die Hölle empfangen, der Libyen angreife, eiferte der Despot, und ließ seine Soldaten die Stadt Misrata 200 Kilometer östlich von Tripolis den ganzen Tag unter schweren Beschuss durch Artillerie und Panzer nehmen. Der Fernsehsender Al Arabija berichtete, mindestens vier Menschen seien getötet und 70 verletzt worden. Mehrere Moscheen, Schulen und Wohnhäuser wurden durch Granaten beschädigt.

„Wenn die Welt irre wird, werde ich es auch“, tobte Gaddafi. Der Sicherheitsrat habe kein Mandat für eine solche Resolution, „die wir unter keinen Umständen anerkennen.“ Gaddafis Sohn Saif al-Islam kündigte nach Angaben des Fernsehsenders Al Dschasira an, man würde „Anti-Terror-Kräfte“ nach Bengasi im Osten schicken, um die Rebellen zu entwaffnen. Libyen schere sich nicht um die Resolution des UN-Sicherheitsrates, erklärte er.

Sofortiger Waffenstillstand

Dagegen gab Libyens Außenminister Moussa Koussa unmittelbar nach der Verkündung der UN-Resolution in einer kurzen Erklärung in Tripolis bekannt, sein Land werde versuchen, mit der Entscheidung „positiv“ umzugehen. Man habe den Text jetzt vorliegen, studiert und akzeptiere ihn als Mitglied der Vereinten Nationen. Man habe daher beschlossen, alle Kampfhandlungen einzustellen und einen „sofortigen Waffenstillstand“ zu erklären. Man biete den Aufständischen alle notwendigen medizinischen Hilfen an, respektiere die Menschenrechte und verpflichte sich, alle Ausländer und deren Besitz in Libyen zu schützen.

Die Menschen in Bengasi vor dem Justizpalast, der den Rebellen als Hauptquartier dient, reagierten zunächst skeptisch. Vor dem Gebäude an der Corniche ist seit mehreren Tagen neben der Fahne der Aufständischen auch die französische Flagge aufgezogen. „Wir sind überzeugt, dass das Regime nur Zeit gewinnen will“, sagte ein Sprecher gegenüber Al Dschasira und nannte die Ankündigung des Waffenstillstands „einen Bluff“.

Blutvergießen beenden

In der Arabischen Liga, die am letzten Wochenende in Kairo einer Flugverbotszone zugestimmt hatte, wurde die UN-Resolution zum Teil offen begrüßt, deren Text unter anderem von Libanon mit eingebracht worden war. Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate erklärten am Freitag, sie würden sich an der militärischen Durchsetzung beteiligen, „um das Blutvergießen zu stoppen und die Zivilbevölkerung in Libyen zu schützen“.

Ein Sprecher des Außenministeriums in Doha drängte auf „rasche Aktionen“. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die UN-Resolution diene dem Schutz von Zivilisten. Es gehe nicht um eine Invasion. Keine Seite sollte „zu weit gehen“. Für Samstag lud Frankreich zu einem Gipfeltreffen zwischen Nato, Arabischer Liga und Afrikanischer Union nach Paris ein, an dem auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon teilnehmen wird.

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
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Jets vorerst gestoppt

Auf europäischer Seite hat offenbar Frankreich die Führung bei dem militärischen Einsatz gegen Gaddafis Truppen übernommen. Die Angriffe würden „in Kürze“ erfolgen, erklärte Regierungssprecher Francois Baroin in Paris, während die europäische Luftfahrtagentur Eurocontrol den gesamten zivilen Flugverkehr mit Libyen suspendierte. Es gehe nicht um die Besetzung von libyschem Territorium, sondern lediglich „um den Schutz des libyschen Volkes”.

Die Militäraktionen würden der Bevölkerung erlauben, „ihren Weg in die Freiheit fortzusetzen, was den Sturz des Regimes von Gaddafi bedeutet“. Frankreich hatte zuvor als erste und einzige europäische Nation den Nationalrat der Aufständischen in Bengasi als legitime Regierung Libyens anerkannt.

Beschuss ging weiter

Die überraschend erklärte Waffenruhe des Regimes könnte die westlichen Kampfjets zunächst stoppen. Gleichwohl bereiten sich Großbritannien, Frankreich und die USA auf einen Einsatz vor, falls Gaddafis Truppen weiter gegen die Rebellen vorgehen. Die Regierungen zweifeln an der Ernsthaftigkeit der Erklärung. „Wir müssen sehr vorsichtig sein“, sagte ein Sprecher des französischen Außenministeriums.

Ob der Waffenstillstand hält, schien gestern noch unklar. Aufständische erklärten, der Beschuss halte in einigen Orten an. Ein Arzt berichtete aus Misrata, auch nach der Verkündung der Feuerpause würden noch Geschosse einschlagen. (mit rtr/afp/ap)