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Die Bundesregierung will Lkw-Maut künftig auch für Fahrten auf vierspurigen Bundesstraßen kassieren. Sie fühlt sich durch eine akute Geldnot dazu gezwungen. Bundesweit sollen nach einem Berliner Gesetzentwurf 80 Streckenabschnitte mautpflichtig werden, neun davon in Nordrhein-Westfalen.
Kritisch daran ist: Die Pläne, die der WAZ vorliegen, sehen vor, dass einige der Mautabschnitte durch Innenstadtbereiche oder dicht bewohnte Gebiete führen werden. Bundesländer und Kommunalpolitiker fürchten jetzt, dass sich Spediteure der Zahlungspflicht entziehen und ihre Fahrer anweisen könnten, für die kurze Strecke in benachbarte Wohngebiete auszuweichen.
2000 Kilometer im Plan
Bislang wird Maut nur für eine Benutzung der Bundesautobahnen durch Lkw erhoben. Je nach Größe und Schadstoffklasse zahlen sie dafür zwischen 14 und 28 Cent je Kilometer. Die Ausdehnung der Mautpflicht auf bundesweit rund 2000 Kilometer Bundesstraße sei „angesichts der voraussichtlichen Entwicklung der finanziellen Anforderungen aus Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur“ nötig, heißt es im dem Gesetzentwurf.
Der Bund erwartet Zusatzeinnahmen von rund 100 Millionen Euro pro Jahr, die ausschließlich in das Straßennetz investiert werden sollen. Auch der Bundesrechnungshof hatte die Regierung gemahnt, vierspurige Schnellstraßen für Lkw kostenpflichtig zu machen.
Schwerpunkt Ruhrgebiet
Neben dem Großraum Köln und der Region Bielefeld ist das Ruhrgebiet Schwerpunkt der geplanten Mautstrecken in NRW. So sollen Lkw künftig auf Teilstücken der B 54 (Dortmunder Straße) in Lünen zwischen B 236 und Hönninghauser Straße, der B 224 zwischen Essen-Bredeney und Essen-Werden, der Wittener Straße (B235) in Castrop-Rauxel zwischen Lothringer Straße und Bövinghauser Straße und der B 288 in Krefeld zahlen müssen. In Köln sind Teile des Militärrings betroffen.
Die Länder leisten gegen mehrere Gesetzespassagen Widerstand. Grund: Mautpflichtig werden oft nur wenige Kilometer Bundesstraße, manchmal auch nur wenige hundert Meter. Das provoziere ein Ausweichen der Fahrer, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesrates. Er mahnt: „Die Belastung der Bevölkerung steht nicht im Verhältnis zu den zu erwartenden Mauteinnahmen“.
„Abenteuerliche Pläne“
Völlig überrascht von den Berliner Vorhaben ist Castrop-Rauxels Bürgermeister Johannes Beisenherz. Er finde die Pläne „abenteuerlich“, sagte er der WAZ. „Die B 235 führt mitten durch die Stadt. Sie ist die mit 22 000 Fahrzeugbewegungen am Tag die am höchsten belastete Straße in Castrop-Rauxel. Rechts und links liegen Wohngebiete. Es ist eine dichte Besiedlung“. Beisenherz will sich erst einmal mit den Bundestagsvertretern der Region in Verbindung setzen, um eine stärkere Belastung der Wohngebiete mit Lärm und Abgasen zu vermeiden.
Ähnlich wie Beisenherz fürchten die Bundesländer zudem, dass künftig auch die Lkw Maut zahlen müssen, die lediglich Waren zu den an der Straße liegenden Geschäften bringen.
Maut zum Baumarkt
„Innerörtliche Bereiche von Bundesstraßen mit zwei oder mehr Fahrstreifen werden in hohem Maße für innerstädtische Transport- und Lieferverkehre genutzt“, führt der Bundesrat an – und bringt ein kurioses Beispiel aus Süddeutschland. Bei Offenburg wird nach dem Regierungsplan künftig die Anfahrt zu einem Baumarkt mautpflichtig. In wie weit die Regierung den Einwänden des Bundesrats nachgibt, ist noch offen.