Brüssel. . Die EU hat sich auf ihrem Sondergipfel eine einheitliche Haltung zum libyischen Machthaber geeinigt. Außerdem soll der wirtschaftliche Druck auf das Gaddafi-Regime erhöht werden.

Die EU will den libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi zur Not mit einem Militäreinsatz aus dem Amt jagen. Alle Optionen, auch militärische, blieben auf dem Tisch, sagte der belgische Ministerpräsident Yves Leterme am Freitag zum Abschluss eines EU-Sondergipfels zu Libyen in Brüssel.

Bedingung für einen Einsatz seien die Unterstützung der Arabischen Liga sowie eine Einigung des UN-Sicherheitsrates. Zudem müsste die klare Notwendigkeit für ein Eingreifen gegeben sein, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

In ihrer Abschlusserklärung fordern die 27 EU-Staaten Gaddafi auf, die Macht „unverzüglich“ abzugeben. Zugleich spricht die Gemeinschaft ihre Unterstützung für den kürzlich formierten Übergangsrat aus dem östlichen Bengasi aus: „Die EU ist bereit, Gespräche mit den neuen libyschen Behörden aufzunehmen“, heißt es in der Erklärung.

Merkel lehnt sofortige militärische Schritte ab

„Jemand, der Krieg gegen sein eigenes Volk führt, ist für die EU kein Gesprächspartner mehr“, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klar. Die EU werde alles tun, um Gaddafi mit wirtschaftlichen, finanziellen und sonstigen Sanktionen zu isolieren. Zugleich warnte sie vor voreiligen Schritten, ohne die umstrittene Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen direkt anzusprechen. „Wir müssen alles tun, um das Leiden des libyschen Volkes einzuschränken. Aber wir müssen die Schritte genau überlegen, damit wir sie auch zu einem vernünftigen Ende führen.“

Paris und London zu „gezielten Militärmaßnahmen“ bereit

Großbritannien und Frankreich hatten in Brüssel darauf gedrungen, auch militärischen Druck auf Tripolis auszuüben. „Wir müssen alle Eventualitäten vorbereiten“, sagte der britische Premierminister David Cameron. „Wir sind zu gezielten, rein defensiven Aktionen bereit“, sagte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy. Diese sollten erwogen werden, „wenn Gaddafi chemische Waffen oder Kampfjets gegen sein Volk einsetzt“. Bedingung sei für ihn aber auch, dass die Vereinten Nationen dies wünschten und die Arabische Liga (AL) eine Militärintervention akzeptiere.

Die AL-Mitglieder Syrien und Algerien sind laut Brüsseler Diplomatenkreisen allerdings gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone. Die NATO hatte einen Einsatz bereits am Donnerstag an die Bedingung geknüpft, dass die Arabische Liga dies fordere. Die Organisation berät am (morgigen) Samstag in Kairo über die Krise in Libyen - und mögliche Anfragen an die internationale Gemeinschaft.

Erfolg hatte Sarkozy offenbar mit seiner Forderung, dass die Gemeinschaft seinem Schritt folgt und den im östlichen Bengasi gebildeten Übergangsrat als legitime Regierungsautorität anerkennt. Der Élysée-Chef hatte mit seinem Vorpreschen die EU-Partner am Donnerstag vor den Kopf gestoßen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatte daraufhin bezweifelt, ob das Gremium wirklich für die gesamte Opposition sprechen könne.

Die EU hatte am Donnerstag bereits ihre Sanktionen gegen das Regime in Tripolis verschärft: Die Geldflüsse für die Zentralbank und vier weitere Finanzinstitute wurden abgetrennt. Geht es nach dem Willen Westerwelles, dann sollen auch die libyschen Öl- und Gasfirmen kein Geld mehr für Lieferungen erhalten, bis Gaddafi die Macht abgegeben hat.

Kämpfe gehen weiter

In der libyschen Rebellenhochburg Bengasi haben unterdessen am Freitag mehr als zehntausend Demonstranten friedlich den Rücktritt von Machthaber Muammar el Gaddafi gefordert. Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, strömten sie mit Fahnen auf die Straßen, um unter freiem Himmel gemeinsam das Freitagsgebet abzuhalten. „Viele Menschen sind in unserem Kampf in Ras Lanuf und in Bengasi getötet worden, aber die Jugend hat entschieden, lieber zu kämpfen, als mitansehen zu müssen, wie dieses Regime weitermacht“, sagte ein Imam vor dem Gebet. „Der Sieg ist nahe“, rief er den Menschen zu.

Regierungstruppen greifen wieder an

Unterdessen flog die libysche Luftwaffe einen weiteren Angriff nahe der hart umkämpften Ölstadt Ras Lanuf. Ein Jagdflieger schoss AFP-Reportern zufolge eine Bombe auf einen Kontrollpunkt der Rebellen östlich der Stadt ab, offenbar ohne größere Schäden anzurichten. Das Artillerie-Feuer zwischen beiden Seiten dauerte an: Während die Aufständischen Katjuscha-Raketen gegen die Gaddafi-Truppen einsetzten, antwortete die libysche Armee mit Granaten und Raketenbeschuss. (dapd/afp)