Lennestadt. . Die NRW-CDU zelebrierte ihren politischen Aschermittwoch im tiefsten Sauerland. Landes-Parteichef Norbert Röttgen, eigentlich ein Intellektueller, musste sich vor diesem Publikum rustikal-bodenständig geben. Das Experiment gelang weitgehend.
Norbert Röttgen winkt ein wenig scheu zu den langen Biertischreihen hinüber, als er pünktlich zum Klatschmarsch in die rustikale Fachwerk-Schützenhalle „St. Hubertus“ einzieht. Der rhetorisch beschlagene Bundesumweltminister ist normalerweise beileibe nicht bühnenscheu, doch dieser Auftritt beim Politischen Aschermittwoch in Lennestadt-Kirchveischede, im tiefsten Sauerland, flößt ihm offenbar Respekt ein. Blasmusik, Bierseligkeit – das ist normalerweise nicht die Welt jenes Mannes, den man in Angela Merkels Ministerriege „Muttis Klügsten“ nennt.
Jürgen Rüttgers, Röttgens Vorgänger im Amt des CDU-Landesvorsitzenden, hatte vor zehn Jahren diesen Traditionalisten-Treff am Ende der Karnevalszeit in der konservativen 70-Prozent-Hochburg im Kreis Olpe ins Leben gerufen. Als Sammlungsort der Treuesten. Ausgerechnet hier muss Röttgen, der viel auf seine akademische Formulierkunst hält, mit klaren Botschaften das Herz der Basis wärmen. Die aktuelle Neuwahl-Ungewissheit in NRW und das Biosprit-Desaster des Umweltministers machen die Herausforderung nicht kleiner.
700 Parteigänger johlen
Röttgen weiß, dass er holzen muss. Auch wenn der Maßanzug geschlossen bleibt, arbeitet er sich lautstark durch seine frei gehaltene Rede. Die 700 Parteigänger johlen immer dann, wenn er sich aggressiv auf die Verschuldungspolitik der rot-grünen Landesregierung einschießt. Es gebe nur einen programmatischen Anspruch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD): das Schuldenmachen.
Röttgen in Arnsberg
„Nach der Philosophie von Frau Kraft müsste Griechenland Europameister der Präventionspolitik sein“, brüllt Röttgen in ungewohnter Tonlage. An Krafts einst postulierte „Koalition der Einladung“ spricht Röttgen an diesem Abend die Einladung zu Neuwahlen aus: „Wir brauchen keine Schuldenkönigin und über diesen Titel können wir gerne Wahlkampf führen.“ Dass die Wahlauseinandersetzung womöglich schon in wenigen Wochen beginnen kann und viele derer, die hier sitzen, dann schon wieder Plakate kleben und Kandidatenlisten aufstellen müssen, bleibt ausgespart.
Simple Schlachtrufe verfangen besser
Immer mal wieder verliert sich der promovierte Jurist in wolkigen Ausführungen zur „Transformation der Gesellschaft“, über die „Schöpfungsethik“ oder das „Novum der Rechtsgeschichte“. Ihm bleibt gleichwohl nicht verborgen, dass simple Schlachtrufe beim zumeist grauschöpfigen Publikum an diesem Abend besser verfangen. Also: „Sozialdemokraten können nicht mit Geld umgehen.“ Und: „Eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gibt es nicht. Die SPD ist die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die muss abgeschafft werden.“ Oder: „Die Grünen sind die Scheinheiligen der Nachhaltigkeit.“
Nach einer guten Dreiviertelstunde lösen sich in der Schützenhalle „St. Hubertus“ aus dem stehenden Applaus heraus zaghafte „Norbert, Norbert“-Rufe. Aber da sitzt Norbert Röttgen schon fast wieder in der Dienstlimousine. Und die Parteibasis beim Hering.