Düsseldorf. . Derzeit läuft alles darauf hinaus, dass wegen des Dauertsteits zwischen Regierung und Opposition ein neuer Landtag gewählt werden soll. Die Verschuldung wird dabei ein zentrales Thema sein - weil es die Bürger umtreibt.
Akt der politischen Notwehr? Taktischer Befreiungsschlag? Oder doch eher ein strategischer Schuss ins Knie? Am überraschenden Vorstoß der NRW-SPD, bei einer neuerlichen Klage der Opposition gegen den Landeshaushalt 2011 Neuwahlen bereits im Sommer anzustreben, scheiden sich die Geister.
Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth hält es für „keine tragfähige Begründung“, die Bürger erneut an die Urnen zu rufen, nur weil die rot-grüne Landesregierung die verfassungsrechtlichen Verschuldungsgrenzen nicht einhalten könne: „Die Bürger haben wenig Verständnis für taktische Manöver“, sagte er der WAZ.
Allerdings erwartet Langguth im Fall der Fälle eine knappe Wahl-Auseinandersetzung: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) habe bereits in der kurzen Zeit ihrer Minderheitsregierung Profil und Bekanntheit gewonnen, der neue CDU-Landeschef Norbert Röttgen wiederum werde als Bundesminister auf Augenhöhe gesehen. Entscheidend werde sein, ob es der SPD gelinge, einen monothematischen Wahlkampf über das für sie unangenehme Thema Finanzen zu vermeiden: „Das Verschuldungsthema treibt die Bürger nämlich um“, analysiert Langguth.
Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) machte hingegen am Montag deutlich, dass Rot-Grün vorgezogene Neuwahlen als eine Art Duell Politik gegen Prozesshanselei zu stilisieren versuchen wird. Man dürfe sich nicht von taktischen Spielchen der Opposition abhängig machen, sondern müsse die Entscheidungen gewissermaßen wieder aus den Gerichtssälen zurück ins Parlament holen, so ihre Lesart. Ähnlich hatten sich auch Ministerpräsidentin Kraft und der Urheber des Neuwahl-Vorstoßes, SPD-Fraktionschef Norbert Römer, geäußert. Also: Neuwahlen als Abstimmung über die juristischen Störmanöver der Opposition?
Zweifel bei den Grünen
Zweifel an dieser Deutung gibt es gleichwohl selbst in den eigenen Reihen. Grünen-Chef Sven Lehmann erklärte: „Ich glaube nicht, dass Neuwahlen etwas an der Situation des nordrhein-westfälischen Haushaltes ändern können.“ An die Verschuldungsgrenzen der Verfassung bleibt eben jede Regierung gebunden, selbst wenn sie das Geld sinnvoll auszugeben verspräche und dafür einen satten Wahlsieg einfahren sollte.
Bei der CDU geht man davon aus, dass von der SPD nun ein Automatismus Richtung Neuwahlen im Sommer in Gang gesetzt worden ist. Eigentlich hatte Landeschef Röttgen auf ein Verfassungsgerichtsurteil über den Landeshaushalt 2011 als „Dokument des Scheiterns“ warten wollen, bevor seine Partei von sich aus Neuwahlen beantragt hätte. Wenn Rot-Grün diesen Weg allerdings schon vorher beschreiten wolle, heißt es, werde man die Auseinandersetzung eben früher führen. Dass die CDU nach dem Nachtragshaushalt 2010 auch den rot-grünen Etat 2011 vor das höchste NRW-Gericht bringen wird, scheint ausgemachte Sache.
Der bislang vorgelegte Entwurf mit 7,1 Milliarden Euro Neuverschuldung lasse nichts anderes zu, sagte CDU-Fraktionsvize Josef Hovenjürgen unserer Zeitung in westfälischer Direktheit: „Wenn die Opposition der Auffassung ist, dass der Haushalt verfassungswidrig ist, dann muss sie vor Gericht ziehen, sonst wäre sie das Futtergeld nicht wert.“