Berlin. . Aus den eigenen Reihen schlägt Guttenberg immer unverhohlenerer Unmut entgegen. Vor SPD-Abgeordnenten soll Bundestagspräsident Lammert die Plagiats-Affäre als „Sargnagel für das Vertrauen in die Demokratie“ bezeichnet haben.

In der Plagiatsaffäre gerät Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat laut einem Medienbericht vor SPD-Abgeordneten erklärt, die Affäre und ihre Begleitumstände seien „ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie“. Laut dem Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, ist Guttenbergs Glaubwürdigkeit angekratzt.

Guttenberg hat Teile seiner Doktorarbeit ohne Quellenangaben abgeschrieben. Daraufhin entzog ihm die Universität Bayreuth den akademischen Titel. Bisher hat der Minister alle Vorwürfe zurückgewiesen, mit Absicht betrogen zu haben. Merkel hatte unter anderem erklärt, sie sehe in Guttenberg nicht den Doktoranden, sondern den Verteidigungsminister.

Der FDP-Politiker Neumann gibt dem angeschlagenen Minister noch „eine, maximal zwei Wochen Zeit“, um die Täuschungsvorwürfe auszuräumen. Schaffe er dies nicht, müsse er zurücktreten. Als erster Vertreter der schwarz-gelben Koalition äußerte Neumann auch offen „große Zweifel an Guttenbergs Erklärung, er habe lediglich den Überblick über seine Quellen verloren“. Zuvor hatte bereits Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) Zweifel am politischen Überleben Guttenbergs geäußert.

Bundeswehr-Chef sieht Reform in Gefahr

Der Bundeswehrverband sieht die Wehrreform gefährdet. Der Vorsitzende der Berufsorganisation der Soldaten, Ulrich Kirsch, sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass der Umbau der Bundeswehr unter so unsicheren Aussichten angefasst wird.“ Dies sei „außerordentlich belastend“. Die „sehr hartnäckige Diskussion um den Mann an der Spitze“, werde der Sache nicht gerecht.

Die Position der Bundeswehr sei „außerordentlich schwierig, weil sich die gesamte Diskussion um die Bundeswehr auf den Verteidigungsminister konzentriert“, sagte Kirsch. Er fügte hinzu, das Bundeskanzleramt vermisse in den vom Verteidigungsminister vorgelegten Eckpunkten zurecht eine sicherheitspolitische Herleitung der Reform.

Auch die Diskussion um den Finanzbedarf der Bundeswehr sei von Seiten des Ministers „dumm gelaufen“, kritisierte Kirsch. Es sei dringend erforderlich, dass der Verteidigungsminister zur Sacharbeit übergehe.

20.000 protestieren gegen Guttenberg-Schmusekurs

Kirsch sprach sich jedoch im ARD-“Morgenmagazin“ am Montag trotz der „angekratzten Glaubwürdigkeit“ Guttenbergs für den Verteidigungsminister aus. Wenn es bei den bekannten Vorwürfen bleibe, dann sei Guttenberg als Verteidigungsminister für die Bundeswehr noch tragbar, sagte Kirsch. „Es ist jetzt an der Zeit, die Dinge hier in Deutschland im Ressort des Bundesministeriums der Verteidigung umzusetzen. Darauf kommt es an“, fügte der Oberst hinzu. Die „Großbaustelle Bundeswehr“ müsse endlich bearbeitet werden, da vieles überfällig sei, sagte Kirsch in Bezug auf die Bundeswehr-Reform.

Mehr als 20.000 Unterzeichner beklagen derweil in einem offenen Brief an Kanzlerin Merkel, die Behandlung der Plagiatsaffäre durch Merkel lege nahe, „dass es sich beim Erschleichen eines Doktortitels um ein Kavaliersdelikt handele“, wie das „Hamburger Abendblatt“ zitiert. Dadurch „leiden der Wissenschaftsstandort Deutschland und die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Land der Ideen“.

„Merkel scheint die Sache auszusitzen“

Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter hält einen dauerhaften Verbleib Guttenbergs im Amt des Verteidigungsministers für unwahrscheinlich. „Er wird sicher gehalten werden, bis die Wahlen Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vorbei sind. Alles andere wäre das falsche Signal für große Teile der Unions-Anhängerschaft“, sagte Falter.

Wenn die Universität Bayreuth jedoch zu dem Ergebnis komme, dass Guttenberg mit Vorsatz fremdes Gedankengut ohne Kenntlichmachung zusammen getragen habe, „dann wird es eng für ihn“, erläuterte Falter.

Falter betonte: „Entscheidend ist, was Angela Merkel will.“ Das Kalkül der Bundeskanzlerin scheine zu sein, „die Sache auszusitzen, und wenn es am Ende doch so kommen sollte, dass Guttenberg der Union mehr schadet als nützt, ihn als Minister fallen zu lassen“. (dapd)