Washington. .
Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn hat angesichts des Vorgehens des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi gegen seine eigene Bevölkerung zu einem Boykott der Tankstellen der Marken Tamoil und HEM in Deutschland aufgerufen.
Höhn sagte der "Bild"-Zeitung vom Samstag, dass Autofahrer die rund 400 zum vom libyschen Staat kontrollierten Konzern Tamoil gehörenden Tankstellen meiden sollten. "Man sollte nicht mehr bei Tamoil und HEM tanken. Ein Boykott gegen Tankstellen in libyschem Besitz ist zwar nur ein symbolischer Akt, zeigt aber, dass wir mit dem Diktator nichts mehr zu tun haben wollen", sagte die Grünen-Politikerin. Es müsse auf allen Ebenen gezeigt werden, dass es keine weitere Zusammenarbeit mit Gaddafi geben dürfe.
Klare Sanktionen haben die USA gegen Gaddafi verhängt: Unmittelbar nach der Evakuierung der letzten US-Bürger aus Libyen haben die USA wegen der brutalen Gewalt gegen Demonstranten das Vermögen von Staatschef Muammar Gaddafi und vier seiner Kinder wurde in der Nacht zum Samstag eingefroren. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wollte am Nachmittag (MEZ) in einer Sondersitzung über eine Resolution zu Strafmaßnahmen gegen Libyen beraten.
Die USA hatten sich mit Reaktionen auf die Lage in dem nordafrikanischen Land zurückgehalten, solange sich dort noch amerikanische Staatsbürger aufhielten, und damit international Kritik ausgelöst. Am Freitagabend wurde dann die amerikanische Botschaft in Tripolis geschlossen und das verbleibende Personal ausgeflogen.
US-Präsident Barack Obama erklärte, Gaddafis Regime habe "Menschenrechte missachtet, brutale Gewalt gegen das eigene Volk ausgeübt" und müsse dafür verantwortlich gemacht werden. Anders als der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy forderte er aber nicht ausdrücklich den Sturz Gaddafis.
Eindringlicher Appell von Ban
Unmittelbar von den Sanktionen betroffen sind nach Angaben des US-Finanzministeriums neben Gaddafi dessen drei Söhne Saif al Islam, Khamis und Muatassim sowie seine Tochter Aischa. Die Strafmaßnahmen sollten deutlich machen, dass Gaddafis Regime das Blutvergießen beenden müsse", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. Weitere Sanktionen würden mit internationalen Verbündeten und den UN koordiniert. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sei für Montag zu Gesprächen mit Obama nach Washington eingeladen worden.
Vor der Sondersitzung des Weltsicherheitsrats hatten Deutschland, Großbritannien und Frankreich einen Entwurf ausgearbeitet, der unter anderem ein Waffenembargo, Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögen des engeren Kreises um Gaddafi vorsieht. Vorgesehen sind auch Ermittlungen zum blutigen Vorgehen libyscher Sicherheitskräfte gegen Demonstranten durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).Die eskalierende Gewalt war am Freitagabend auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das zentrale Thema. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte eindringlich zu einem sofortigen Handeln. „Unter diesen Umständen weiter Zeit zu verlieren bedeutet, weitere Menschenleben zu verlieren“, sagte Ban.
Merkel spricht sich für Sanktionen gegen Libyen aus
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime in Libyen ausgesprochen. Auf einem Neujahrsempfang in ihrem Wahlkreis sagte sie am Freitagabend in Stralsund, Europa müsse alle Möglichkeiten, inklusive Sanktionen, nutzen, um den gegenwärtigen Krieg Gaddafis gegen das eigene Volk zu beenden. Zugleich versicherte sie, Deutschland werde versuchen, möglichst alle deutschen Staatsbürger aus dem Land zu bringen.
Merkel appellierte an die EU, den Menschen der im Umbruch befindlichen nordafrikanischen Länder wirksame Hilfe zukommen zu lassen. Diese Hilfe müsste aber so ausgerichtet sein, dass den Menschen vor Ort ein besseres, menschenwürdiges Leben ermöglicht werde. Es gehe in erster Linie um Hilfe zur Selbsthilfe, sagte sie.
Angesichts der dramatischen Situation in Libyen hat sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin für eine zeitweilige Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. „Im Rahmen einer vernünftigen Lastenteilung zwischen den EU-Staaten wäre Deutschland sicher nicht überfordert, wenn es 500 oder 1000 Flüchtlinge vorübergehend aufnimmt“, sagte Trittin der „Saarbrücker Zeitung“ (Samstagausgabe).
Nach UNO-Recht hätten solche Menschen keinen Anspruch auf politisches Asyl, erläuterte Trittin. „Das bedeutet, wenn sich die Lage in Libyen oder Tunesien wieder beruhigt, müssen sie in ihre Heimatländer zurückkehren.“ Zugleich kritisierte er die Blockadehaltung der Bundesregierung in dieser Frage. „Wenn es darum geht, schnell und unkompliziert zu helfen, darf Deutschland nicht im Abseits stehen“, forderte der Grünen-Politiker. „Was gegenwärtig in Libyen passiert, hat zweifellos die Grenze zum Völkermord erreicht.“
Gaddafis Sohn verleugnet Gewalt
Der Sohn des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi hat in der Nacht zum Samstag die Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Opposition geäußert, sich aber zugleich geweigert, das Ausmaß des Blutvergießens im Land anzuerkennen. Es gebe lediglich „zwei geringfügige Probleme“ in Misrata und Sawija, sagte Saif al Islam Gaddafi vor geladenen Journalisten in der Hauptstadt Tripolis.
Berichten über getötete Demonstranten widersprach der Sohn des libyschen Herrschers. Die Situation in der Hauptstadt bezeichnete er als ruhig und friedlich. „Ich denke, bis morgen haben wir die Probleme gelöst“, sagte er.
In einem Interview mit dem Sender CNN Turk hatte der Gaddafi-Sohn zuvor versichert, seine Familie werde in Libyen „leben und sterben“. Befragt zu Alternativen angesichts der zunehmenden Protestbewegung sagte er: „Plan A ist es, in Libyen zu leben und zu sterben, Plan B ist es, in Libyen zu leben und zu sterben, Plan C ist es, in Libyen zu leben und zu sterben.“ Gaddafi werde nicht zulassen, das „eine Bande von Terroristen“ an die Macht komme.
Laut Augenzeugenberichten von Einwohnern aus Tripolis hat lässt Muammar al Gaddafi regimetreue Zivilisten bewaffnen, um gegen Demonstranten vorzugehen. In den Straßen der Hauptstadt patrouillierten zahlreiche Zivilpersonen, berichteten Einwohner am Samstag telefonisch. Sie sollten Kontrollstellen errichten und gegen Regierungsgegner vorgehen.
Gaddafi hatte am Freitag angekündigt, die Waffendepots zu öffnen, "sodass alle Libyer und Stämme bewaffnet werden". Während einer Rede in Tripolis rief er Anhänger auf, die Demonstranten zu bekämpfen und "die Nation zu verteidigen".(dapd)