Tripolis/Brüssel. . Gaddafi-Sohn Seif el Islam verspricht nach tagelangen Bürger-Protesten in Libyen Reformen. Er schloss allerdings aus, dass sein Vater zurücktreten werde. Seif el Islam Gaddafi warnte vor einem Bürgerkrieg.

Nach tagelangen, zunehmend heftigeren Protesten gegen Libyens Revolutionsführer Muammar el Gaddafi hat dessen Sohn Reformen zugesagt. In einer in der Nacht zum Montag vom Fernsehen übertragenen Ansprache machte Seif el Islam Gaddafi aber gleichzeitig deutlich, dass sein Vater nicht abdanken werde, und warnte vor einem Bürgerkrieg. Kurz zuvor hatten die Proteste erstmals die Hauptstadt Tripolis erreicht.

Das libysche Parlament werde schon bald zusammentreten, um neue Strafgesetze sowie Gesetze für mehr Presse- und Bürgerfreiheiten zu verabschieden, kündigte Seif el Islam Gaddafi in seiner Rede weiter an. Er rief die Bevölkerung dazu auf, ein „neues Libyen zu erschaffen“. Das nordafrikanische Land stehe „vor dem Scheideweg: Entweder verständigen wir uns auf Reformen, oder wir werden nicht nur den Tod von 84 Menschen beweinen, sondern von tausenden“. Den ausländischen Medien, die von bis zu 200 Opfer der gewaltsamen Einsätze der Sicherheitskräfte berichtet hatten, warf Gaddafis Sohn Übertreibung vor.

Nach tagelangen Protesten hatte sich die Lage in dem nordafrikanischen Land am Wochenende weiter zugespitzt. Nach Bengasi und El Baida im Osten des Landes erreichten sie auch die Mittelmeerstadt Misrata sowie Tripolis. Nach Angaben von Einwohnern hallten Schüsse und Krankenwagen-Sirenen durch die Viertel der Hauptstadt. Gleichzeitig aber waren Hupkonzerte sowie laute Freudenschreie von Frauen zu hören: Gerüchte machten die Runde, Gaddafi habe nach 41 Jahren an der Macht das Land bereits verlassen. Tatsächlich schweigt der Revolutionsführer seit Beginn der Proteste vor knapp einer Woche.

„Keine weitere Facebook-Revolution“

Gaddafis Sohn, der 2007 für ein Jahr den Reformflügel des Regimes leitete, machte in seiner Fernsehansprache deutlich, dass jeder Versuch einer „weiteren Facebook-Revolution“ wie in Tunesien oder Ägypten niedergeschlagen werde. Die Armee stehe hinter dem Revolutionsführer. Gleichzeitig räumte er jedoch Fehler der Armee im Umgang mit den Protesten ein.

In el Islam Gaddafis Rede klang immer wieder eine gewisse Verzweiflung durch. So wurde deutlich, dass die Regierung die Kontrolle über die zweitgrößte Stadt Bengasi verloren hat. Demonstranten hätten sich mehrerer Panzer und Waffen bemächtigt, sagte er. Er warf arabischen und afrikanischen Kräften vor, die Unruhen zu schüren, um die Einheit des Landes zu zerstören und ein islamistisches Regime zu errichten. Gleichzeitig drohte er allen ausländischen Ölfirmen mit dem Rauswurf aus Libyen.

Zusammenhalt des Regimes bröckelt

Unterdessen beginnt der Zusammenhalt innerhalb des Regimes zu bröckeln. Der ständige Vertreter Libyens bei der Arabischen Liga, Abdel Moneim el Honi, legte am Sonntag seinen Posten nieder und schloss sich der „Revolution“ in seinem Land an. Ihm folgte am Montag ein ranghoher Diplomat in China: Vor laufender Kamera des Senders El Dschasira rief Hussein Sadiq el Musrati das gesamte diplomatische Korps auf, sich seinem Rücktritt anzuschließen. Der Diplomat berichtete von heftigen Kämpfen zwischen Gaddafis Söhnen, doch ließ sich diese Information laut El Dschasira zunächst nicht bestätigen.

Die USA, die EU und die Arabische Liga riefen die Führung in Tripolis auf, die Gewalt gegen die Demonstranten zu beenden. Stattdessen solle sie in einen Dialog mit der Opposition treten. (afp)