Kairo. . Ägyptens Militär hat das Parlament aufgelöst und die Verfassung ausgesetzt. Sechs Monate soll die so eingeläutete Übergangsphase dauern, teilte die Armee mit. Danach sind Neuwahlen geplant. Doch die Oppositions-Bewegung ist skeptisch.

Nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak hat die ägyptische Armee die Weichen für den von ihr versprochenen „friedlichen Übergang“ gestellt. Die Militärführung löste am Sonntag das Parlament auf und setzte die Verfassung außer Kraft. Die Übergangsphase bis zu Neuwahlen solle sechs Monate dauern, teilte die Armeespitze in einer im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung mit.

Kommission soll Verfassung überarbeiten

30 Jahre Mubarak

Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak ist nach 30 Jahren an der Macht zurückgetreten. Foto: afp
Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak ist nach 30 Jahren an der Macht zurückgetreten. Foto: afp © AFP
Mubarak bei einem Treffen mit dem tunesischen Präsident Zine el-Abidine Ben Ali im Jahr 2004. Foto: afp
Mubarak bei einem Treffen mit dem tunesischen Präsident Zine el-Abidine Ben Ali im Jahr 2004. Foto: afp © AFP
Mubarak mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu im ägyptischen Sharm El-Sheich im Mai 1997. Foto: Reuters
Mubarak mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu im ägyptischen Sharm El-Sheich im Mai 1997. Foto: Reuters © Reuters
Mubarak und das libysche Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi 1989. Foto: Reuters
Mubarak und das libysche Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi 1989. Foto: Reuters © Reuters
Mubarak begrüßt das Militär in Kairo im Jahr 1989. Foto: Reuters
Mubarak begrüßt das Militär in Kairo im Jahr 1989. Foto: Reuters © Reuters
US-Präsident Ronald Reagan und Hosni Mubarak sitzen 1988 im Oval Office. Foto: Reuters
US-Präsident Ronald Reagan und Hosni Mubarak sitzen 1988 im Oval Office. Foto: Reuters © Reuters
Und noch ein US-Präsident: Mubarak und George W. Bush schütteln sich 2001 die Hände. Foto: Reuters
Und noch ein US-Präsident: Mubarak und George W. Bush schütteln sich 2001 die Hände. Foto: Reuters © REUTERS
Mubarak mit seinem Vorgänger Anwar Sadat auf einer Militärparade im Jahr 1981. Auf dieser Veranstaltung fiel Sadat einem Attentat zum Opfer, Mubarak wurde kurz darauf Präsident. Foto: afp
Mubarak mit seinem Vorgänger Anwar Sadat auf einer Militärparade im Jahr 1981. Auf dieser Veranstaltung fiel Sadat einem Attentat zum Opfer, Mubarak wurde kurz darauf Präsident. Foto: afp © AFP
Schließlich: Muburak und Barack Obama im vergangenen Jahr im weißen Haus. Foto: Reuters
Schließlich: Muburak und Barack Obama im vergangenen Jahr im weißen Haus. Foto: Reuters © REUTERS
1999 treffen sich Mubarak und der amerikanische Präsident Bill Clinton. Foto: Reuters.
1999 treffen sich Mubarak und der amerikanische Präsident Bill Clinton. Foto: Reuters. © REUTERS
Mubarak mit Palästinenserpräsident Yassir Arafat und dem israelischen Premier Ehud Barak im Jahr 2000. Foto: Reuters
Mubarak mit Palästinenserpräsident Yassir Arafat und dem israelischen Premier Ehud Barak im Jahr 2000. Foto: Reuters © REUTERS
Mubarak und der italienische Premierminister Silvio Berlusconi im vergangenen Jahr in Rom. Foto: afp
Mubarak und der italienische Premierminister Silvio Berlusconi im vergangenen Jahr in Rom. Foto: afp © AFP
Papst Johannes Paul II. und Mubarak im Jahr 2000 in Kairo. Foto: afp
Papst Johannes Paul II. und Mubarak im Jahr 2000 in Kairo. Foto: afp © AFP
1992 trifft Mubarak Prinzessin Diana. Foto: afp
1992 trifft Mubarak Prinzessin Diana. Foto: afp © AFP
Der russische Präsident Dmitri Medwedew trifft Mubarak 2008 in Moskau. Foto: afp
Der russische Präsident Dmitri Medwedew trifft Mubarak 2008 in Moskau. Foto: afp © AFP
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Die Geltung der Verfassung musste ausgesetzt werden, da sonst innerhalb von 60 Tagen nach dem Rücktritt des Präsidenten Neuwahlen hätten angesetzt werden müssen. Die Militärführung setzte nun auch eine Kommission ein, um Verfassungsänderungen auszuarbeiten.

Der ägyptische Oppositionspolitiker Aiman Nur begrüßte die Schritte. Sie sollten auch die Demonstranten zufriedenstellen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist ein Sieg für die Revolution."

"Sie haben definitiv damit begonnen, uns das anzubieten, was wir wollten", sagte auch die Aktivistin Sally Tuma. Damit fasste sie jene Mischung aus Vorsicht und Optimismus in Worte, die derzeit die Demonstranten bewegen. Ihnen geht der Wandel noch nicht weit genug, schließlich warten sie noch immer auf eine Aufhebung der repressiven Notstandsgesetze. Der Richter Hisham Bastawisi - ein Reformer - sagte, die Maßnahmen "sollten die Tür öffnen für die freie Bildung von Parteien und den Weg freimachen, damit jeder Ägypter an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen kann".

Skeptisch zeigte sich auch der Leiter einer Nichtregierungsorganisation, die für Persönlichkeitsrechte eintritt. Die angekündigten Schritte der Streitkräfte seien zwar positiv, aber die Rechtsgrundlage dafür sei unbekannt, sagte Hossam Bahgat. Wegen des Fehlens einer Verfassung habe man in Bezug auf die Gesetze eine Art Grauzone betreten, sagte er. "Also sind wir besorgt."

Ministerpräsident kündigt Rückkehr zur Normalität an

Zuvor hatte nach der ersten Kabinettssitzung der Übergangsregierung nach dem Sturz Mubaraks Ministerpräsident Schafik auf einer Pressekonferenz die Rückkehr zur Normalität zum Ziel erklärt. "Das Anliegen des Kabinetts ist die Sicherheit. Den ägyptischen Bürgern wieder Sicherheit zu geben", sagte er. Schafik dementierte Gerüchte, wonach Mubarak in die Vereinigten Arabischen Emirate geflohen sei. Der Expräsident befinde sich noch immer im Badeort Scharm el Scheich, sagte Schafik.

Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo kam es unterdessen zu Rangeleien zwischen Soldaten und einigen jungen Männern. Die Streitkräfte wollten die Barrikaden abreißen, doch einige Tausend Menschen weigerten sich aus Angst vor einem Stillstand der Reformen, den Platz zu verlassen. Zum ersten Mal seit zwei Wochen fuhren aber wieder Autos auf dem Platz der Befreiung.

Rund 1.000 Polizeibeamte gingen am Sonntag in den Streik. Sie demonstrierten vor dem Innenministerium für bessere Lebensbedingungen. Dabei kam es zu kleineren Auseinandersetzungen mit Soldaten, die versuchten die Demonstration aufzulösen und teilweise Warnschüsse abfeuerten. Damit die Lage nicht weiter eskalierte, zogen sich die Streitkräfte schließlich zurück.

Polizisten weisen Schuld von sich

Bei der Demonstration wiesen die Polizisten auch die Verantwortung für das Vorgehen gegen die Demonstranten von sich. Beim Versuch die Proteste zu ersticken kamen mehrere Menschen ums Leben. Als dies misslang, zog sich die Polizei für einige Tage fast vollständig aus der Stadt zurück und überließ die Bürger sich selbst. "All diese Befehle kamen von unseren Vorgesetzten, das ist nicht unsere Schuld", sagte der Polizist Said Abdul Rahim. Die Polizei gilt vielen Ägyptern als korrupt und brutal. Dieses Image wollen die Beamten nun ändern. "Das Volk und die Polizei gehen Hand in Hand", riefen sie.

Die Opposition kündigte ein Ende der Proteste auf dem Tahrir-Platz an. Sie wollten aber zu wöchentlichen Demonstrationen aufrufen, sagten Vertreter einer Koalition aus Jugend- und Oppositionsgruppen am Samstag auf einer Pressekonferenz. Damit soll das regierende Militär weiter unter Druck gesetzt werden, die geforderten demokratischen Reformen umzusetzen. Allerdings sei es an der Zeit dem Militär zu zeigen, dass sie ihm vertrauen, sagte Protestorganisator Nasser Abdel Hamid.

Lob von Obama

US-Präsident Barack Obama begrüßte die von den ägyptischen Streitkräften angekündigte Verpflichtung zu einem demokratischen Übergang sowie die Einhaltung internationaler Verträge durch das Land. Nach Mitteilung des Weißen Hauses erörterte Obama die Situation in Ägypten telefonisch mit dem britischen Premierminister David Cameron, dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan sowie dem jordanischen König Abdullah II.

Der Chef der ägyptischen Fluglinie Egypt Air erklärte am Sonntag, seine Gesellschaft habe in den vergangenen drei Wochen etwa 80 Prozent ihres Umsatzes eingebüßt, nachdem etwa 75 Prozent der Flüge ausgefallen waren. Weitergehende Zahlen nannte er nicht.

Der oberste Militärrat hatte am Freitag nach dem Rücktritt Mubaraks die Macht vorübergehend übernommen. Die derzeitige Regierung soll bis zur Wahl einer „zivilen Führung“ im Amt bleiben, wie die Armeeführung am Samstag mitgeteilt hatte.(afp/rtr)