Essen.. NRW zahlt jährlich bis 2019 rund 800 Millionen Euro für die Deutsche Einheit - viel zu viel sagen die Kommunen. Jetzt klagen 91 Städte und Gemeinden gegen das Einheitslastenabrechnungsgesetz, 142 weitere erklären sich solidarisch.
Das Wort ist sperrig, und es bringt die Kämmerer in den NRW-Städten seit Monaten auf die Palme: „Einheitslastenabrechnungsgesetz“. Sie sehen dieses Gesetz als übles Vermächtnis der früheren schwarz-gelben Landesregierung. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr wurde es vom Landtag verabschiedet. Es regelt, wie viel Geld die Kommunen und das Land NRW für die Kosten der deutschen Einheit bezahlen müssen.
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„Viel zu viel“, finden die kommunalen Spitzenverbände. Sie fühlen sich über den Tisch gezogen. „Wir wehren uns gegen die überhöhte Beteiligung an den Kosten der Einheit. Wir fordern eine nachvollziehbare Abrechnung“, schimpft Stephan Articus, Geschäftsführer des Städtetages NRW. Die Rechnung für die Kommunen, die bis 2019 geschrieben ist, falle um zwei Milliarden Euro zu hoch aus. Articus spricht von „Politik nach Kassenlage“.
Klamme Kommunen
Bei diesen Kommentaren klingt immer auch eine grundsätzliche Frage mit: Warum müssen die klammen Kommunen überhaupt so tief in die Kasse greifen, wenn es um den Aufbau Ost geht? Immerhin zählt NRW im Länderfinanzausgleich zu den Nehmerländern. Im „Einheitslastenabrechnungsgesetz“ steht aber, dass NRW bis 2019 jedes Jahr 800 Millionen Euro für die Kosten der Einheit zahlt, und die Städte müssen ihren Teil dazu beitragen. 91 Städte und Gemeinden klagen seit gestern gegen das ungeliebte Gesetz, 142 weitere erklären sich solidarisch. Ex-Innenminister Ingo Wolf (FDP) hatte die Neuregelung im letzten Jahr gelobt: „Sie bildet einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des Landes und der Kommunen. Gleichzeitig schafft es Planungssicherheit für die Laufzeit des Solidarpaktes bis 2019.“
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Denn Planungssicherheit gab es bis dato nicht. Immer wieder wurde neu verhandelt und ausgerechnet, wie viel die Städte bezahlen müssen. Bis 2005 galt ein Solidarbeitragsgesetz, das nach einem komplizierten Verfahren die Kosten zwischen Land und Kommunen aufteilte. 2006 wurde dieses Verfahren von NRW aufgegeben und durch ein pauschales Ausgleichssystem ersetzt. Ergebnis: Einige Städte sahen sich überproportional stark zur Kasse gebeten. Sie reichten eine Verfassungsbeschwerde ein – und bekamen Recht.
Neues Rechenmodell
„Nun hat das Land den Spieß umgedreht und mit dem Einheitslastenabrechnungsgesetz ein völlig neues Rechenmodell entworfen, und zwar komplett zu unseren Ungunsten“, erklärt Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund NRW. „Eigentlich müssten die Städte einen zweistelligen Millionenbetrag zurückbekommen, nun sollen wir einen dreistelligen Millionenbetrag drauflegen.“
Und was sagt die neue Landesregierung zum alten Gesetz? Sie beobachtet die Verfassungsbeschwerde mit Gelassenheit und wartet auf die Entscheidung der Juristen. „Das Gericht wird nun entscheiden müssen, ob das Gesetz verfassungskonform ist“, hieß es gestern aus dem NRW-Innenministerium. Und weiter: „Die Einheitslastenabrechnung muss verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen. Nur dann haben Land und Kommunen ausreichende Planungssicherheit.“
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Bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichts Münster wird das Land übrigens auf den Vollzug des Gesetzes verzichten. Sehr zur Freude der kommunalen Verbände: „Wir begrüßen, dass die neue Regierung die Stundung angekündigt hat.“
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