Brüssel.
Viele Staaten gehen zu nett mit ihren reichen Bürgern um, findet der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger. Er fordert höhere Steuern für Reiche. Und Investitionen in Bildung und Infrastruktur.
Staatsschulden können aus Sicht des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger auch sinnvoll sein. „Macht ein Land Schulden, um in Zukunftsträchtiges wie Bildung oder Verkehrsinfrastruktur zu investieren, ist das nicht schlecht“, sagte der Würzburger Professor (56) dieser Zeitung. Bofinger sitzt auch im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung berät.
„Auch in Krisenzeiten wie in den letzten Jahren kann es gut sein, dass ein Staat Schulden macht, um eine wirtschaftliche Abwärtsspirale zu stoppen, beispielsweise wie Deutschland mit seinen Konjunkturprogrammen“, sagte der Volkswirt. Zudem habe zum Beispiel Deutschland Banken wie die Hypo Real Estate (HRE) retten müssen, die sich in der weltweiten Finanzkrise verspekuliert hatten. „Es gab dazu keine Alternative, weitere Bankenpleiten wären nach dem weltweiten Schock infolge der Pleite der US-Bank Lehman ein schwerer Fehler gewesen.“
Investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen
Bofinger bemüht für die Schuldenproblematik nicht wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Bild der „schwäbischen Hausfrau“, sondern das der „schwäbischen Unternehmerin“: „Diese Unternehmerin nimmt Geld auf, wenn sie lohnende Investitionen plant.“ Denn diese Investitionen rechneten sich längerfristig und spülten später mehr Geld in die Kasse. Denn schaffe oder sichere diese Unternehmerin – oder eben der Staat – Arbeitsplätze, indem sie Geld in Bildung und Infrastruktur investiere, zahlten so mehr Menschen Steuern. Und stiegen die Gewinne der Unternehmen, führten diese ebenfalls mehr Steuern an den Staat ab.
Daher lobt Bofinger die staatlichen Anstrengungen in Europa, die kriselnde Wirtschaft zu unterstützen: „Die Konjunkturprogramme waren bisher erfolgreich.“ Derzeit wächst Deutschlands Wirtschaft wieder, und auch für ganz Europa stehen die Zeichen laut der EU-Kommission auf Wachstum. Trotzdem sei Vorsicht angebracht, betonte Bofinger: „Angesichts der derzeitigen Schuldenberge europäischer Länder stellt sich die Frage: Wie geht es 2011 und 2012 weiter?“ Der Professor warnte davor, die Schuldenberge zu schnell zu verringern.
„In den Problemländern geht man viel zu freundlich mit den Wohlhabenden um.“
„Man muss unterscheiden zwischen der Neuverschuldung und dem Schuldenstand, also den bestehenden Schulden. Die Neuverschuldung wird derzeit europaweit heruntergefahren. Das muss aber behutsam geschehen“, sagte Bofinger. „Es besteht die Gefahr, dass gerade die Problemländer ihre Neuverschuldung zu abrupt abbauen. Diese Gefahr sehe ich in Griechenland, Irland, Spanien oder Portugal.“ Dort würden zum Beispiel die Mehrwertsteuer erhöht, Sozialleistungen gekappt oder Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst massiv gekürzt.
„Das trifft vor allem die normalen Bürger“, kritisierte der Wirtschaftswissenschaftler. Der scharfe Sparkurs führe – Beispiel Griechenland – zu sozialen Unruhen. Bofinger plädierte für einen anderen Weg: „In den Problemländern geht man viel zu freundlich mit den Wohlhabenden um.“ Dass es auch anders gehe, sehe man daran, dass Kanzler Helmut Kohl (CDU) einst den Spitzensteuersatz auf 56 Prozent erhöht habe, um die deutsche Einheit zu finanzieren.
Neben Steuererhöhungen für Gutverdiener hält Bofinger auch eine einmalige Vermögensabgabe für möglich, um den hoch verschuldeten Staatshaushalt in Griechenland, Portugal, Irland oder Spanien wieder in Ordnung zu bringen. „So eine Vermögensabgabe hat sich zum Beispiel in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bewährt, damals hieß sie ‘Lastenausgleich’“.