Teheran. Der Ton des konservativen Regimes gegen den iranischen Oppositionsführer Mussawi wird schärfer: Nun wird er wegen "Hochverrats" attackiert. Ihm solle der Prozess gemacht werden, fordert ein Berater von Ayatollah Chamenei. Die EU plant derweil Sanktionen gegen Regierungsvertreter.
Ein ranghoher Berater des geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei hat den iranischen Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi als Agenten der Vereinigten Staaten bezeichnet und seine Verurteilung verlangt. Ihm solle wegen «schrecklicher Verbrechen und Hochverrat» der Prozess gemacht werden, forderte Hossein Schariatmadari in einem am Samstag veröffentlichten Leitartikel der konservativen Zeitung «Kajhan». Es war das erste Mal seit der Präsidentenwahl am 12. Juni, dass solche Vorwürfe öffentlich gegen den nach amtlicher Darstellung unterlegenen Kandidaten erhoben wurden.
"Fünfte Kolonne Amerikas"
«Man muss sich ernsthaft die Frage stellen, ob die Aktionen (von Mussawi und seinen Anhängern) auf Anweisungen der US-Behörden zurückgehen», schrieb Schariatmadari. Mussawi wolle seiner Strafe entgehen - dafür, dass er «unschuldige Menschen umgebracht, einen Aufruhr veranstaltet, mit Ausländern kollaboriert und als Amerikas fünfte Kolonne im Lande agiert» habe. Es lägen eindeutige Beweise vor. Neben Mussawi solle auch der frühere reformorientierte Präsident Mohammed Chatami vor Gericht gestellt werden.
Bei den Protesten nach der Verkündung des amtlichen Ergebnisseskamen nach Polizeiangaben 20 Demonstranten und bis zu acht Mitglieder der regierungstreuen Bassidschi-Miliz ums Leben. Mehr als 1.000 Menschen wurden festgenommen, darunter auch zahlreiche prominente Vertreter des Lagers der Reformer.
Karrubi nennt Inhaftierung von Reformern «illegal»
Zwei von ihnen, der frühere Vizepräsident Mohammad Ali Abtahi und der Chefredakteur einer kritischen Zeitung, Mohammad Ghuchani, sollen nach einem Bericht der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Fars inzwischen Geständnisse abgelegt haben. Abtahi habe «gestanden, dass er die Menschen und auch Studenten zu Anarchie, Ausschreitungen und einer samtenen Revolution aufgerufen hat», berichtete Fars. Ghuchani habe eingestanden, dass er außer Landes für eine Revolution trainiert worden sei. Die Familie der beiden und Menschenrechtsorganisationen haben die Geständnisse als völlig grundlos zurückgewiesen. Sie sollen den beiden unter Folter abgepresst worden sein.
Mehdi Karrubi, der zweite bei der Wahl unterlegene Reformkandidat, besuchte die Familien der beiden und verurteilte ihre Inhaftierung als «illegal». «Diese Handlungen zerstören das Vertrauen der Öffentlichkeit. Das ist sehr gefährlich. Wir stehen vor einer kulturellen und religiösen Katastrophe von großem Ausmaß», sagte Karrubi.
Großayatollah ermahnt Sicherheitskräfte
Der Streit um die Festnahme von Mitarbeitern der britischen Botschaft spitzte sich unterdessen weiter zu: Ein iranischer Angestellter wurde wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt. Sein Mandant werde im berüchtigten Gefängnis Ewin festgehalten, erklärte Anwalt Abdolsamad Chorramschi. Bei dem inhaftierten Mitarbeiter handle es sich um einen Politikexperten der Botschaft. Das britische Außenamt konnte die Angaben zunächst nicht bestätigen.
Nach den Protesten nahm die iranische Justiz Ende Juni neun örtliche Mitarbeiter der britischen Botschaft fest. Iranischen Nachrichtenagenturen zufolge wurden alle bis auf einen inzwischen wieder freigelassen. Die Europäische Union plant offenbar Einreiseverbote für iranische Regimevertreter, falls die Regierung den Mitarbeiter der britischen Botschaft nicht freilässt.
Bislang hat nur einer der führenden schiitischen Geistlichen im Iran Ahmadinedschad zur Wahl gratuliert. In der Theologenstadt Kom südlich von Teheran herrscht Skepsis, wie auch eine Erklärung von Großayatollah Jussef Saanei zeigte. Weil so viele Iraner die Ergebnisse der Wahl infrage stellten, fehle es der Regierung an der nötigen Unterstützung, schrieb der Großayatollah. Er ist einer der neun einflussreichsten Geistlichen im Lande. «Ich ermahne alle Kräfte, die zum Schutz der Menschen da sind, dass kein Befehl als Entschuldigung oder Erlaubnis dienen sollte, die Rechte der Menschen einzuschränken - geschweige denn Personen zu töten oder zu verletzen», so Saanei.