Berlin. . Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat mit ihrem Vorstoß, eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungsetagen von Unternehmen und Aufsichtsräten gesetzlich festzulegen, ihre Kabinettskollegen düpiert.
Ursula von der Leyen wird wirklich ungeduldig. Seit zehn Jahren gebe es nun eine freiwillige Vereinbarung mit der Privatwirtschaft, den Anteil von Frauen in Führungspositionen nennenswert zu steigern, sagt die Bundesarbeitsministerin. Und zieht am Wochenende ein ernüchterndes Fazit. „Diese Vereinbarung ist krachend gescheitert, für die Frauen hat sich kaum etwas bewegt.“
Daraus leitet die CDU-Frau eine Konsequenz ab, die in den nächsten Wochen und Monaten in der Regierungskoalition und darüber hinaus noch für heftigen Zwist sorgen wird. Binnen fünf Jahren sollen 30 Prozent weibliche Führungskräfte in Vorständen und Aufsichtsräten vor allem börsennotierter Unternehmen sitzen, ließ von der Leyen den „Spiegel“ wissen. Eine gesetzliche Initiative dazu komme noch in diesem Jahr. Oha.
Mit ihrer Offensive, seit Tagen vorbereitet, tritt die forsche Niedersächsin reihenweise wichtigen Mitspielern und Mitspielerinnen vor das Schienbein. Neben Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die juristisch formal dazu zu hören wäre, sind das vor allem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), ein leidenschaftlicher Frauen-Quoten-Gegner, der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU sowie weite Teile der Wirtschaft.
Wirtschaft gegen staatliche Einmischung
Stellvertretend lehnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Hans Heinrich Driftmann, am Wochenende staatliche Eingriffe in die Beschäftigungspolitik ab. Unternehmen müssten wie bisher auch ihre Positionen mit der jeweils am besten geeigneten Person besetzen können; unabhängig von deren Geschlecht.
Düpiert ist aber auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die das Thema seit geraumer Zeit fährt, und von einer „staatlichen Einheitsquote“ gar nichts hält. Ihr Alternativ-Vorschlag geht so: Den Unternehmen soll keine Frauenquote vom Staat vorgegeben werden. Jedes große Unternehmen würde aber gesetzlich verpflichtet, sich selbst eine Zielmarke für den Frauenanteil in Vorstand und Aufsichtsrat zu setzen, die binnen zwei Jahren erreicht werden muss. Sozusagen eine gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung. Die Opposition lacht. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig wie auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast halten Schröder 1.) selbst für eine Quotenfrau und 2.) ihren Ansatz für „naiv“.
Wer bietet mehr?
Ursula von der Leyen denkt insgeheim offenbar ähnlich. Ihr Modell sieht sogar vor, dass eine gesetzliche Quote an Sanktionen gekoppelt sein müsste, „sonst ist es weiße Salbe“. In der Praxis kann sie sich vorstellen, dass Mitglieder von Aufsichtsräten, die die Quote nicht erfüllten, kein Sitzungsgeld erhalten…
Auslöser für die kompromisslos anmutende Gangart von der Leyens dürfte auch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gewesen sein. Sie belegt, dass die Chefetagen der deutschen Top-Unternehmen weiter fest in Männerhand sind, während sich andernorts in Europa bereits einiges getan hat (siehe Infobox). Ausnahme: Als erstes Dax-Unternehmen hatte die Deutsche Telekom im vergangenen März eine Frauenquote eingeführt. Bis Ende 2015 sollen 30 Prozent der Führungspositionen im Unternehmen mit Frauen besetzt sein.
Weibliche Vorstände sind selten
Dem DIW zufolge hat sich der Anteil der Männer in den Vorständen 2010 im Vergleich zu 2006 „nur in homöopathischen Dosen“ verringert – um zwei Prozentpunkte auf 96,8 Prozent. Der Frauenanteil in den Vorständen legte gegenüber 2009 nur um 0,7 Prozentpunkte zu. Noch seltener sind weibliche Vorstandschefs: In den 100 größten Unternehmen gibt es laut DIW gar keine, innerhalb der „Top 200“ stellen Isabell Remus, Vorstandsvorsitzende bei Sandoz International, und Petra Hesser, Chefin bei Ikea Deutschland, die Ausnahmen. Unterm Strich, so das DIW, bleibt ein eindrucksvolles Missverhältnis: 877 von 906 Vorstandsposten in den großen 200 Unternehmen dieses Landes sind von Männern besetzt.
Im politischen Überbietungswettbewerb wollen sich die Sozialdemokraten von der CDU-Ministerin jedoch nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sprachen sich gestern für eine verbindliche Frauen-Quote von 40 Prozent aus. Von der Leyen wollte sich bei 30 einpendeln. Wer bietet mehr?