Berlin. .

Ändern sich manche Dinge denn nie? „Selbstgefälligkeit und Imponiergehabe schwächen nicht nur den Willen zur Mitarbeit, sondern verhindern auch, dass das Wort Kameradschaft mit Leben erfüllt wird.“ Der Satz stammt aus dem Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, in dem etliche Fälle verbaler Entgleisungen von Vorgesetzten in der Bundeswehr und der Versuch, sie zu verharmlosen, geschildert sind.

„Fasse ich meine Erkenntnisse zusammen, scheint mir die Kluft zwischen den Ansprüchen an die Menschenführung und der Wirklichkeit in jüngerer Zeit keineswegs geringer geworden zu sein.“ Hellmut Königshaus würde es wohl so ähnlich schreiben. Geschrieben hat es aber einer seiner zehn Vorgänger: Willi Weiskirch. Vor 23 Jahren.

Mit Kampfstiefeln über
Kameraden-Bäuche

Heute zeichnet der FDP-Politiker ein nicht minder düsteres Bild, beklagt „rüde Umgangsformen“ und „herabmindernde Äußerungen“ und konstatiert, dass vor allem „jungen Mannschaftsdienstgraden und unerfahrenen Vorgesetzten“ oft Wissen und Gespür dafür fehlten, „wann die Grenzen zum Dienstvergehen beziehungsweise zur Straftat überschritten werden“.

Das Arsenal schlechter Beispiele von Beleidigung, überzogenem Drill und Schinderei, das Königshaus gestern ausbreitete, ist groß. So befahl ein Stabsunteroffizier seinen Rekruten, mit Kampfstiefeln über die Bäuche von am Boden und im Schnee liegenden Kameraden zu rennen. In einem Fall hielt ein Feldwebelanwärter beim Waffenreinigen zwei Soldatinnen seine ungeladene, aber entsicherte Waffe an die Stirn und rief: „Ich töte euch.“

Auswüchse, die im Kern an die Vorwürfe um die „Gorch Fock“ erinnern. Gestern legten einige ehemalige Kadetten des in Verruf geratenen Segelschulschiffs nach, monierten massive Alkoholexzesse der Stammbesatzung und berichteten von dem erniedrigenden Befehl von Offizieren, deren Erbrochenes vom Deck zu schrubben.

Dass Königshaus am Empathie-Vermögen und Sozialverhalten mancher Führungsebenen wirklich zweifelt, zeigt auch dieser sarkastische Beitrag im Jahresbericht: „Vorgesetzte sollten wissen, dass Schwangerschaft keine Krankheit ist und auf solche Fälle durch entsprechende Schulungen vorbereitet werden.“

Dass sich, wenn auch nicht flächendeckend, Frustration in der Truppe breitmache, weil seit Jahren beklagte Mängel nicht abgestellt worden sind, was wiederum Fehlverhalten in der Führung begünstigen könne, liegt für Königshaus auf der Hand. Die anstehende Umwandlung der Wehrpflicht in eine Freiwilligen-Armee ist für ihn darum der geeignete Zeitpunkt, dagegen zu steuern. Auf breiter Front. Das aber koste, räumt er ein, unter anderem eines: viel Geld.

Im Kontrast dazu steht eine aufkeimende unionsinterne Auseinandersetzung um die Frage, was die Guttenbergsche Groß-Reform kosten darf – bei gleichzeitigem Sparzwang.

Bundeswehr
nach Kassenlage

Unionsfraktions-Geschäftsführer Peter Altmaier (CDU) machte gestern deutlich, dass seine Fraktion klar hinter Finanzminister Wolfgang Schäuble stehe. Was bedeuten würde, dass Guttenberg rund 8,3 Milliarden Euro einsparen muss, wenn die Truppe wie bisher geplant von 235 000 auf 185 000 abgeschmolzen wird.

Geht nicht, kontert prompt die CSU, schart sich um ihren Hoffnungsträger und warnt vorsorglich vor einer „Bundeswehr nach Kassenlage“. Hoffnungen, dass sich ein aktueller Sparbeschluss beim umstrittenen Militärtransporter A 400 M hier segensreich auswirken könnte, halten Fachpolitiker für verfrüht. Hintergrund: Die Bundeswehr nimmt nur 40 statt geplant 53 der neuen „Vögel“ in Dienst. 13 Flugzeuge sollen quasi als Vorführwagen exportiert werden. Das Einsparvolumen beläuft sich laut FDP theoretisch auf Milliarden. Wie gesagt: theoretisch. Was, wenn niemand kauft?