Essen.
SPD-Chef spricht bei einem Vortrag an der Uni-Essen sich für einen Beitrag der Wohlhabenden an der Bildungsfinanzierung aus. Schüler müssten besser gefördert werden: „Ich kriege einen dicken Hals, wenn ich das Wort Fachkräftemangel höre“.
Eher zufällig landete SPD-Chef Sigmar Gabriel in dem Hörsaal S07 der Uni Essen. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Rolf Dobischat hatte ihn im Zug kennengelernt, man kam ins Gespräch und wie das so ist: „Wenn Sie mal nach Essen kommen...“ Gestern also war es soweit.
„Ich war mal in der Erwachsenenbildung“, begann Gabriel. „Und das mache ich heute ja irgendwie immer noch.“ Dann wurde er ernster und zeigte in den vollen Hörsaal: „50 Prozent von Ihnen wird nach dem Abschluss vermutlich keine feste Stelle bekommen.“ Viele müssten jahrelange Praktikumsschleifen drehen.
Doch es ging ihm nicht darum, die Studenten zu erschrecken. Er wollte seine These untermauern: Wirtschaftswachstum und technologischer Fortschritt seien in früheren Zeiten automatisch mit allgemeinem Wohlstand verknüpft gewesen. Das habe sich geändert. „Viele Menschen werden abgekoppelt.“
„Wir lassen zu viele Menschen gehen“
Bildung sei die Basis unseres Wohlstands, so Gabriel. Doch während der Bedarf an Qualifizierten wachse, sinken die Geburtenraten. Zugleich verschleudere Deutschland seine Talente: 70 000 Schüler verließen jedes Jahr die Schule ohne ausreichende Qualifikation. „Ich kriege einen dicken Hals, wenn ich dann das Wort Fachkräftemangel höre“, so Gabriel. „Der kann nicht so groß sein, wenn wir uns erlauben, auf diese Menschen zu verzichten.“
Auch viele gut ausgebildete Frauen würden durch die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf ausgebremst. „Wir lassen zu viele Menschen gehen“, sagte Gabriel. Eine erste Maßnahme gegen den Fachkräftemangel wäre es, ausländischen Studenten nach dem Studium eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu geben, schlug er vor. Bisher müssen Absolventen aus Nicht-EU-Staaten nach einem Jahr das Land verlassen. „Das ist nicht nachvollziehbar.“
Mehr Bafög statt Elite
Gabriel forderte konkrete Reformen: „Wir brauchen weniger Eliteprogramme und mehr Bafög.“ Die Hochschulen müssten sich für Menschen mit beruflicher Qualifizierung öffnen. 20 Milliarden Euro seien nötig, um den Bildungsetat auf das Niveau vergleichbarer Industrienationen zu heben. Wo er das Geld denn hernehmen wolle, wollte ein Student wissen. Gegen eine Bildungssteuer für Wohlhabende hätte er nichts, entgegnete Gabriel. Drei Milliarden würde er bei den Hoteliers wieder einsammeln, die Mehrwertsteuer umkrempeln („wieso gilt für Schnittblumen der halbe Steuersatz?“), und die 700 Millionen für das Hartz-Bildungspaket seien „verdaddelte Steuergelder“.
Der Zugang zur Bildung aber müsse kostenfrei sein. „Weil uns daran gelegen sein muss, dass möglichst viele diesen Weg einschlagen.“ Das bedeute aber nicht ein kostenloses Dauerstudium. „Es gibt kein Recht auf Faulheit.“