Dortmund. Olaf Scholz und die SPD hoffen in Dortmund auf einen Mobilisierungsschub. Palästinenser stören Wahlkampfabschluss des Kanzlers.

Wo, wenn nicht hier? In Dortmund, der alten und nicht mehr so ganz intakten „Herzkammer“ der SPD, macht Bundeskanzler Olaf Scholz sich und seiner Partei zwei Tage vor der Wahl trotz schlechter Umfragen Mut. Hannelore Kraft, Boris Pistorius, Bärbel Bas und andere bekannte Akteure gesellen sich dazu. „Die SPD kommt nach Hause“, sagt Oberbürgermeister Thomas Westphal. Auf jeden Fall rückt sie im Gegenwind zusammen.

Optimismus gegen schlechte Umfragewerte

Schon zwei Stunden vor dem offiziellen Wahlkampfabschluss der Sozialdemokraten stehen viele Damen und Herren vor der Halle Schlange. Helmut Bäcker, Ehrenvorsitzender der SPD Wickede/Ruhr, ausgestattet mit einem SPD-Schal, erzählt von einem Traum, den er vor zwei Tagen gehabt habe: „Die SPD bekommt 25, die Grünen 15, die Linke zwölf Prozent.“ Die Frage, wie realistisch das sei, beantwortet er lächelnd. Er sei halt Optimist, sagt Bäcker.

Jörg aus Kamen zieht seine Hoffnung aus den jüngsten Umfragen, die etwas gnädiger zur SPD sind. Ein Bochumer Wahlkämpfer will sich in der Westfalenhalle „den letzten Schub holen“. Für Samstag, wenn noch einmal an einem Info-Stand steht.

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Kaum ein anderer Ort in Deutschland dürfte geeigneter für einen sozialdemokratischen Wahlkampfabschluss sein als dieser. Die Vorstellung von der „Herzkammer“ ist immer noch in einigen Köpfen, obwohl die Zeit, in denen die SPD hier Wahlergebnisse von 50 Prozent erzielte, so lange zurückliegt wie der Dortmunder Dreiklang „Kohle, Stahl und Bier“. Immerhin: Die SPD stellt hier seit 1946 ununterbrochen die Oberbürgermeister, und ihre Bundestagsabgeordneten gewannen 2021 ihre Wahlkreise direkt.

Willy Brandt und Gerhard Schröder waren hier. Auch Scholz hofft auf den Dortmunder Spirit

Für Sozialdemokraten, die Kanzler werden oder bleiben möchten, ist die Westfalenhalle ein gutes Pflaster: Willy Brandt, damals Außenminister, war zum Wahlkampfabschluss 1969 hier und später noch einmal, kurz vor der Bundestagswahl 1972, bei der die SPD ihr bisher bestes Bundes-Ergebnis erzielte. Kanzler Gerhard Schröder ließ sich in Dortmund zwei Tage vor der Bundestagswahl 2002 feiern, zusammen mit dem Literaturnobelpreisträger Günter Grass und dem schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson.

Damals kamen 16.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zu Schröder in die große Westfalenhalle. Olaf Scholz lockt ein Vierteljahrhundert später rund 2000 Menschen in die Messehalle drei, unter ihnen der Schauspieler Heinrich Schafmeister („Wilsberg“, „Der Staatsanwalt“), ein Scholz-Fan. Der Kanzler sei im Gegensatz zu vielen anderen Politikern einer, der seinen Puls regulieren könne. „Er wirkt vielleicht spröde. Für mich ist das ein Segen“, sagt Schafmeister.

SPD Wahlkundgebung in der Westfalenhalle.
Sozialdemokratisches „Familientreffen“ in Dortmund zum Abschluss des Bundestagswahlkampfes. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Fahne und Geschrei: Zwischenfälle überschatten die Rede des Kanzlers

Olaf Scholz gibt in Dortmund den Kämpfer, und sein Publikum honoriert das, steht auf für ihn, reckt rote Plakate in die Höhe, die auf den Sitzen liegen. Das harmonische Bild wird allerdings zweimal empfindlich gestört. Zunächst brüllt eine Frau mit Kopftuch eine Minute lang Unverständliches in die Kanzler-Rede hinein. Sicherheitskräfte führen sie aus der Halle. Kurz darauf hält ein Mann eine palästinensische Flagge hoch und schreit: „Nieder mit den Zionisten.“ Auch er wird abgeführt.

Boris Pistorius trifft den Nerv des Publikums in der Westfalenhalle

Ähnlich gut wie Scholz kommt übrigens Fast-Kanzlerkandidat Boris Pistorius in der Westfalenhalle an. Seine Kritik am polternden US-Vizepräsidenten J.D. Vance bei der Münchener Sicherheitskonferenz hat ihm viel Respekt eingebracht. „Wir stehen am Beginn einer neuen Epoche“, sagt der Bundesverteidigungsminister in Dortmund. Es ist eine Warnung. Ein geeintes Europa sei stark, aber die EU benehme sich leider teilweise wie 27 Einzelstaaten. Scholz schlägt ähnliche Töne an: „Der Wirtschaftsraum ist größer und stärker als die USA. Wir können unsere Dinge regeln“, behauptet er.

Das Publikum ist am Ende zufrieden. Lars Lehmann, Bürgermeisterkandidat der SPD in Versmold meint mit Blick auf die vielen noch unentschlossenen Wählerinnen und Wähler: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Olaf Scholz sagt das auch, fast beschwörend: „Die SPD ist viel stärker als in den jetzigen Umfragen.“

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