Berlin. In der „Schlussrunde“ treffen Politiker von AfD, BSW, CDU, CSU, FDP, Grünen, Linken und SPD aufeinander. Alice Weidel redet sich in Rage.

So viele diskutierten noch nie in einem der TV-Formate vor der Bundestagswahl 2025 miteinander: Das ZDF hat acht Spitzenpolitikerinnen und -politiker am Donnerstagabend zur „Schlussrunde“ eingeladen. Allein die Begrüßung der Gäste inklusive Nennung ihrer Funktionen nimmt dem Moderationsteam um Markus Preiß und Diana Zimmermann schon mehrere Minuten Sendezeit der insgesamt 90-minütigen Debatte.

Es diskutieren CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, SPD-Generalsekretär Matthias Miersch, Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, FDP-Chef Christian Lindner, AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, Linken-Chef Jan van Aken, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, sowie BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.

„Schlussrunde“ im ZDF: Alice Weidel redet sich bei Klima-Frage in Rage

Was erwarten Macherinnen und Macher einer 90-minütigen Sendung, in der acht Gäste über insgesamt fünf Themenblöcke sprechen sollen? Nun, einig sind sich fast alle Politikerinnen und Politiker bei einer Frage: „Wurden Sie im Wahlkampf von den anderen Parteien fair behandelt?“, fragt Moderator Markus Preiß relativ zum Ende der Sendung. Sieben Gäste halten eine Karte in die Höhe, auf der „Nein“ steht, Annalena Baerbock hält keine Karte hoch.

Bliebe es zumindest zeitlich fair in dieser Sendung, müsste sich jeder Gast rund zwei Minuten pro Themenblock äußern können – ließe man einmal die Zeiten für Einspieler, Anmoderationen und Zwischenabstimmungen außer Acht. Doch es geht mehr zu wie in einer hitzigen Debatte im Bundestag: Es wird dazwischengerufen, einander unterbrochen, Seitenhiebe verteilt, durcheinander geredet.

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Lindner zu Baerbock: „Bisher haben wir uns immer geduzt“

Was die Gäste sagen, bleibt für das Publikum vor den Empfangsgeräten manchmal unverständlich. Gegenseitiges Lob dürfte es jedenfalls nicht sein. Mehrmals lässt Annalena Baerbock sich nicht von Christian Lindner oder Alexander Dobrindt unterbrechen (Baerbock zu Dobrindt: „Sie können es nicht ertragen, eine Frau hier ausreden zu lassen.“). Als Baerbock Lindner an anderer Stelle unterbrechen will und ihn dabei siezt, kontert der FDP-Chef: „Bisher haben wir uns immer geduzt.“

Möglicherweise erinnert das Setting im Studio stark ans Parlament, in dem auch öfter mal heftig debattiert wird. Die Gäste sind angeordnet, wie die Parteien im Bundestag platziert sind: Ganz links ist BSW-Chefin Sahra Wagenknecht, AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel ist rechts. Anders als in anderen TV-Formaten in diesem Wahlkampf sitzen die acht Gäste jeweils hinter einem Redepult, was zunächst etwas starr wirkt.

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„Schlussrunde“ im ZDF: Ist die Kriegsgefahr in den vergangenen Tagen gestiegen?

Doch schnell nimmt die Debatte Fahrt auf. Sie beginnt mit einem der drängendsten Themen der Woche: Wie sicher ist Europa, ist Deutschland in diesen Zeiten? Wie wollen die Parteien umgehen mit Donald Trump, der dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Schuld am Ukraine-Krieg aufbürden will und ihn einen „Diktator ohne Wahlen“ nennt?

Miersch, Baerbock und Weidel stimmen auf die Frage, ob die Kriegsgefahr für Deutschland in den vergangenen Tagen gewachsen sei, mit „Ja“ ab. Baerbock will den Kurs ihrer direkt nach Beginn des Krieges ausgerufenen „Zeitenwende“ beibehalten und den Frieden noch stärker sichern. „Die Zeit der moralischen Appelle der feministischen Außenpolitik ist vorbei“, sagt Lindner in Richtung Baerbock. Er will rüsten – dabei müsse man „alle Instrumente offen halten“, auch die Schuldenbremse.

Lindner: Donald Trump sei „ein kompliziert gewordener Freund in Washington“

Linnemann will ein starkes Europa, in dem Deutschland eine Führungsrolle übernimmt, Wagenknecht will hingegen keine weiteren Waffen liefern und den Ukraine-Krieg beenden (Wagenknecht zu Baerbock: „Sie haben alles nur schlimmer gemacht.“), van Aken denkt „Sicherheit europäisch“ – und glaubt, die Nato-Staaten könnten das auch ohne die Mitgliedschaft der USA gewährleisten.

Lindner widerspricht: Die Vereinigten Staaten seien unverzichtbar in der Nato. Es sitze „ein kompliziert gewordener Freund in Washington, es bleibt aber ein Freund“. Weidel ist Fan von diesem Freund. Donald Trump setze in der Ukraine-Politik das um, was die AfD seit drei Jahren fordere: einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen.

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Meine schwerste Entscheidung

Themen der „Schlussrunde“ im ZDF: Sicherheit, Gesundheit, Pflege, Wehrpflicht, Klima

Nach rund einer halben Stunde bricht Moderatorin Diana Zimmermann die Debatte über das aktuelle Thema etwas unwirsch ab. Sie wacht an diesem Abend über die Zeit: Neben der Sicherheit in Europa sollen auch die Themenblöcke Gesundheit, Pflege, die Themen der Jungwähler und der Klimaschutz zur Sprache kommen. Themen, die in diesem Wahlkampf häufig zu kurz gekommen seien.

Im Verlauf des Abends lernt das Publikum eine Gemeinsamkeit zwischen Linnemann und Baerbock kennen: Beide seien in einer gesetzlichen Krankenversicherung, sagen sie. Alice Weidel nutzt die Debatte über die Abschaffung der Privatversicherung dazu, wieder einmal das Thema „illegale Migration“ zu platzieren.

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Lindner über Vorschlag von Alice Weidel: „sympathische Idee“

Es würden zu viele vom Gesundheitssystem profitieren, die nichts einzahlen, meint Weidel. Das sei unsozial. Moderatorin Diana Zimmermann erinnert an die zahlreichen Pflegekräfte mit Migrationsgeschichte, die das Pflegesystem in Deutschland am Laufen halten würden.

Alice Weidel will einführen, dass pflegende Angehörige bezahlt werden. Auf Nachfrage des Moderationsteams soll es zwei- bis dreitausend Euro im Monat dafür geben. Der ehemalige Finanzminister Lindner nennt das eine „sympathische Idee“, die er für nicht finanzierbar hält.

Was Jungwähler bewegt: Wehrpflicht und das Wahlalter

Themen der Jungwähler sind nach Ansicht der ZDF-Redaktion die Wehrpflicht, die Bildung sowie das Wahlrecht ab 16 Jahren (die Politikerinnen und Politiker von Linken, SPD, Grünen, FDP und AfD stimmen mit ihren Kärtchen dafür, der Rest dagegen). Weidel fordert eine zweijährige Wehrpflicht und gibt Angela Merkel Schuld daran, dass Deutschland nicht wehrfähig sei. Auch Dobrindt will eine Wehrpflicht einführen und so schnell wie möglich wieder junge Männer mustern.

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Linnemann fordert hingegen ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr, das unter anderem bei der Bundeswehr absolviert werden könne. „Damit sich Milieus wieder treffen“, die Begründung. Jan van Aken reagiert genervt: „Ich halte diese Debatte für verlogen.“ Schon jetzt gebe es zahlreiche junge Menschen, die sich freiwillig engagieren wollen, allerdings seien die Mittel für Bundesfreiwilligendienste in der Vergangenheit gekürzt worden.

Als es um den Klimawandel geht, gerät Alice Weidel außer sich

Als es um den Klimawandel geht, wird wie zuvor an diesem Abend der Faktencheck gefordert: Alice Weidel feuert gegen die Grünen, das Heizungsgesetz, Gebäudeenergiegesetz sowie das Verbrennerverbot. Während Weidel spricht, kommentiert Dobrindt: „Das ist falsch, das ist falsch, das ist falsch. Das ist Ihr Märchen aus dem Märchenwald!“ – Moderator Markus Preiß hatte gefragt, ob sie der Klimawandel kaltlasse. Die Reaktion dürfte Bände sprechen.

Nach 90 Minuten ist dann – sicher zu Zimmermanns Zufriedenheit – pünktlich Schluss. Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Vize-Kanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) ließen sich übrigens aufgrund anderer Verpflichtungen vertreten. Wahrscheinlich bereiten sie sich emsig auf das wirklich letzte TV-Format vor der Wahl am 23. Februar vor: Beim „Bürger-Speed-Dating“ am Samstagabend auf Joyn treffen Scholz, Merz, Habeck und Weidel auf zehn Wählerinnen und Wähler und ihre Fragen.

Hier gibt es die gesamte „Schlussrunde“ in der ZDF-Mediathek.