Berlin. Ob Autoindustrie oder Digitalwirtschaft: Firmen-Vertreter sorgen sich vor den Folgen, sollte die AfD ihr Wirtschaftsprogramm umsetzen.

Normalerweise diplomatisch, jetzt scharf: „Mehr Schwachsinn kann man nicht verbreiten.“ Das ist die Einschätzung von Reinhard Lüken zur Forderung, Windräder abzureißen, welche kürzlich AfD-Chefin Alice Weidel erhob. Lüken arbeitet als Geschäftsführer des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik. Die Unternehmen, die er vertritt, leben auch davon, Windparks auf dem Meer zu errichten.

Der Lobbyist lehnt das Wirtschaftsprogramm der Hartrechten grundsätzlich ab. Mit der „Russland-Freundlichkeit“ der Partei „können unsere Mitglieder nichts anfangen“. Denn in manchem Betrieb komme es mittlerweile zu Sabotageakten – Bestandteil hybrider Kriegsführung der russischen Regierung. Zur Forderung, Beschäftigte mit ausländischer Herkunft des Landes zu verweisen und Einwanderung zu verhindern, sagt Lüken: „Dann können unsere Betriebe zumachen.“ Die AfD sei „nicht die Stimme des Volkes“, sie spreche für eine Minderheit, deren Positionen die große Mehrheit der Bevölkerung ablehne.

Das ist Alice Weidel

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