Berlin. Estland schickt seine Marine. Die EU-Kommission spricht von „gezielter Zerstörung der kritischen Infrastruktur Europas“ und will Sanktionen.

Die Nato verstärkt nach der erneuten Beschädigung eines Unterwasserkabels ihre militärische Präsenz in der Ostsee. Auch die EU-Kommission lässt keine Zweifel aufkommen und spricht bei den Vorfällen in der Ostsee von einer „gezielten Zerstörung der kritischen Infrastruktur Europas“.

Nato und EU wollen nicht länger tatenlos zusehen. „Das verdächtige Schiff gehört zu einer russischen Schattenflotte, die die Sicherheit und die Umwelt bedroht und das Kriegsbudget Russlands finanziert“, erklärten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die neue estnische EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. In ihrer gemeinsamen Mitteilung kündigten sie an: „Wir werden weitere Maßnahmen, einschließlich Sanktionen, vorschlagen, um diese Flotte ins Visier zu nehmen.“ Estland handelte bereits und schickte seine Marine los, „um unsere Energieverbindung mit Finnland zu verteidigen und zu schützen“, so das Verteidigungsministerium. 

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Beschädigtes Kabel in der Ostee: Steckt Putin dahinter?

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (l.), und die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, wollen weitere Maßnahmen gegen Russland vorschlagen.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (l.), und die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, wollen weitere Maßnahmen gegen Russland vorschlagen. © dpa | Geert Vanden Wijngaert

In der Ostsee wurden an den Weihnachtstagen Strom- sowie vier Datenkabel beschädigt. Finnlands Regierung spricht offen von einem schweren Sabotageakt in ihren Hoheitsgewässern und bringt ihn mit der russischen „Schattenflotte“ in Verbindung. Nach finnischen Polizeiangaben wurde der Öltanker „Eagle S“, der mit bleifreiem Benzin von Sankt Petersburg nach Port Said in Ägypten unterwegs war, am zweiten Weihnachtsfeiertag wegen des Verdachts gestoppt, sein Anker habe die Kabel beschädigt.

Die finnische Küstenwache stoppte den Öltanker „Eagle S“. Sein Anker soll das Kabel in der Ostsee beschädigt haben. Die Finnen sprechen von Sabotage.
Die finnische Küstenwache stoppte den Öltanker „Eagle S“. Sein Anker soll das Kabel in der Ostsee beschädigt haben. Die Finnen sprechen von Sabotage. © AFP | HANDOUT

Am Freitag lag der Tanker vor der finnischen Küste bei Porkkala. Er ist unter der Flagge der Cookinseln unterwegs und habe sich in der Nähe der Stromleitung Estlink 2 zwischen Estland und Finnland befunden, die am ersten Weihnachtsfeiertag plötzlich ausgefallen war. Finnische Grenzschutzbeamte hatten bei der Untersuchung des Tankers festgestellt, dass der Anker fehlte.

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Im Gespräch mit der FUNKE Mediengruppe hatte die finnische Außenministerin Elina Valtonen bereits vor Russlands „hybridem Krieg“ in der Ostsee gewarnt. Sie sprach von ständigen Cyberangriffen, Desinformation und Sabotage: „Wir wissen, dass Russland die finnische Infrastruktur im Blick hat und gezielt nach Schwachstellen sucht.“ Besonders bedrohlich klang ihre Warnung, wonach „Finnland gar nicht das Hauptziel von Russlands hybrider Kriegsführung ist, sondern Frankreich und Deutschland“.

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Erst im November wurden in der Ostsee zwei Datenkabel beschädigt. Damals stand ein chinesisches Frachtschiff unter Verdacht, das aus Russland nach Ägypten fuhr. Ein Jahr zuvor waren ein Datenkabel und eine Gaspipeline beschädigt worden. Auch damals fiel der Verdacht auf einen chinesischen Frachter aus Kaliningrad. Viel spricht dafür, dass der jetzt in Finnland gestoppte Tanker zur russischen Schattenflotte gehört. Er soll gut 20 Jahre alt und in schlechtem Zustand sein.

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Fachleute schätzen, dass Russland mehr als 1400 dieser Tankschiffe im Einsatz hat, um EU-Sanktionen beim Export seines Rohöls zu umgehen. Da Russland keine eigenen Schiffe verwenden kann, nutzt Moskau diese alten Tanker. Sie sind oft schlecht oder gar nicht versichert und fahren meist unter der Flagge kleiner Staaten. Die Ostsee- und Mittelmeeranrainer warnen vor einer Umweltkatastrophe, sollte es zu einer Havarie kommen.

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