Düsseldorf. Immer mehr Menschen sind auf Pflege angewiesen, aber viele Pflegedienste kämpfen ums Überleben. Hilft ihnen das Land NRW nicht genug?
Das Problem der Insolvenzen in der Pflege hat sich im Jahr 2024 in NRW - wenn auch abgeschwächt - fortgesetzt. Laut einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der SPD meldeten im vergangenen Jahr insgesamt 33 Pflegedienste Insolvenz an: 20 ambulante, zehn stationäre und drei teilstationäre Dienste.
Im Jahr 2023 hatten sogar 130 Einrichtungen eine bereits eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Daraus eine Verbesserung der Lage im vergangenen Jahr abzuleiten, greift aber laut dem SPD-Gesundheitsexperten Thorsten Klute zu kurz: „In Jahr 2023 gab es einen Sondereffekt, weil nach der Einführung der Tarifpflicht einige Dienste, die bisher nicht nach Tarif bezahlten, ins Straucheln gerieten“, sagte er. Zum Vergleich: 2022 waren in NRW 26 Pflegedienst-Insolvenzen gemeldet worden.
Schieflage: Imme mehr Pflegebedürftige, aber weniger Pflegepersonal
Angesichts der Gesamtzahl von Pflegediensten in NRW erscheint die Zahl der Insolvenzen auf den ersten Blick als nicht besonders dramatisch. Laut dem Statistischen Landesamt IT.NRW gab es Ende 2023 insgesamt 3205 ambulante Dienste und 3252 Pflegeheime im Land.
Allerdings stieg die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in NRW zwischen 2021 und 2023 deutlich von 1,19 Millionen auf 1,39 Millionen, die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen hat also zugenommen. Laut IT.NRW wurde im Jahr 2023 zudem zum ersten Mal seit 1999 ein leichter Rückgang der Beschäftigten in der Pflege festgestellt. Außerdem müssten die Betroffenen immer höhere Eigenanteile in der stationären Pflege bezahlen, so Klute.
Förderung des Landes für abulante Pflegedienste seit 30 Jahren nicht angepasst
Vor allem für all jene, die ihre Angehörigen zu Hause betreuen - also für die überwiegende Mehrheit der Betroffenen - sei die prekäre Lage mancher ambulanter Dienste ein Problem, kritisiert Klute. Er hatte schon im Dezember darauf hingewiesen, dass NRW die Investitionsförderung für die ambulanten Dienste seit ihrer Einführung im Jahr 1996 nicht mehr erhöht habe. „Diese Förderung stagniert bei 2,15 Euro pro Leistungsstunde, obwohl die Inflation in diesem Zeitraum bei 70 Prozent lag“, sagte er damals.
Landesregierung wehrt sich: Mehr als 700 Millionen Euro für Pflegedienste im Jahr 2023
Die Landesregierung wehrt sich gegen diese Kritik mit dem Hinweis, es habe die Pflegedienste im Jahr 2023 mit 708 Millionen Euro gefördert. Allein die Investitionskostenförderung ambulanter Dienste sei von rund 68,5 Millionen Euro im Jahr 2016 um 31,14 Prozent auf rund 90 Millionen Euro im Jahr 2023 gestiegen, so NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Rückgang der Pflege-Beschäftigten
IT.NRW hat vor wenigen Wochen Zahlen zur Pflege in NRW veröffentlicht. Demnach waren Ende 2023 insgesamt 281 239 Personen in Pflegeeinrichtungen in NRW beschäftigt. Das waren 1 583 Personen und 0,6 Prozent weniger als bei der Vorerhebung zwei Jahre zuvor. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilte, wurde damit der erste Rückgang der Beschäftigtenzahl seit Einführung der Pflegestatistik im Jahr 1999 verzeichnet.
Bei den 3 205 ambulanten Pflegediensten waren mit 96 084 Personen 1,2 Prozent und 1 153 Personen weniger beschäftigt als 2021 (97 237). Die Zahl der Beschäftigten in den 3 252 Pflegeheimen lag mit 185 155 um 0,2 Prozent und 430 Personen niedriger als bei der Vorerhebung (Ende 2021: 185 585). Die Zahl der Pflegebedürftigen war von 2021 auf 2023 gestiegen: Ambulante Pflegedienste betreuten 2,1 Prozent mehr Pflegebedürftige als 2021; bei den Pflegeheimen waren es 1,3 Prozent.
Außerdem hätten die Insolvenzen „in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle“ in der stationären Pflege nicht zum Wegfall von Plätzen geführt haben, da die Einrichtungen von anderen Betreibern übernommen worden seien.
Laut Thorsten Klute führt der Hinweis auf die insgesamt gestiegenen Investitionskosten des Landes in die Irre: „Die Zuschüsse des Landes sind nur gestiegen, weil gleichzeitig die Zahl der Pflegebedürftigen stark zugenommen hat.“ Unterm Strich mache sich die Landesregierung hier einen „schlanken Fuß“.
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