Berlin. Draußen vor dem Parteitag der CDU wird demonstriert, drinnen massiert die Union ihre Seele. Dabei ist einer besonders eifrig.

Merz polarisiert, Merz treibt bei vielen den Puls hoch – aber Massendemos gegen Merz? Damit hatte vor einer Woche noch kein Parteistratege gerechnet. Jetzt gehen sogar Hunderttausende gegen sein AfD-Manöver auf die Straßen. Der Kanzlerkandidat der Union ist bei vielen endgültig unten durch. Seine Partei versucht, das auszugleichen – sie bildet beim Parteitag in Berlin eine Brandmauer um Merz. Allzeit-Rivale Markus Söder übertreibt es dabei fast ein wenig.

Um kurz nach zwölf geht es los. Friedrich Merz kommt ans Pult, die Delegierten springen auf, feiern ihn frenetisch. Mehrmals setzt er an zu reden, aber sie lassen ihn nicht, klatschen minutenlang weiter. Der Ton ist damit gesetzt: Die Partei steht hinter ihm. Der Satz von Hessens Regierungschef Boris Rhein steht für alle: „Danke schön, dass du stehen geblieben bist, dass du gekämpft hast.“ Auch, wenn es Sturm gebe. „So verhält sich ein Kanzler.“

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Als Markus Söder später an die Reihe kommt, springen wieder alle von den Stühlen auf, rhythmisches Klatschen, donnernde Bässe. Und das, obwohl in der CDU viele dem Bayern misstrauen und ihm niemals verzeihen werden, dass er mal sehr gut darin war, CDU-Kanzlerkandidaten Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Doch Söder spielt an diesem Nachmittag seine neue Rolle perfekt. Fast zu perfekt.

Im Blog: So lief der CDU-Parteitag – Die wichtigsten Ereignisse

Markus Söder stellt sich breitschultrig hinter Merz

Bereits sein dritter Satz ist ein klarer Schulterschluss: „Friedrich Merz wird Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.“ Es gebe keinen Platz für Eitelkeiten oder Streitigkeiten, „darauf könnt ihr euch verlassen“. Das Merz-Manöver im Bundestag kommentiert Söder mit Respekt „Letzte Woche, das war ein steiler Move!“ Schlafwagenwahlkampf? Vorbei. Jetzt sitze die Union im Schnellzug, sagt Söder, für manche fühle es sich wohl auch an wie Achterbahn. Sein Fazit aber ist klar: Merz hat eine Leitentscheidung getroffen, daran wird nicht gerüttelt.

Das Wort „Leitentscheidung“ muss man sich jedoch gut merken – es dürfte eine Rolle spielen, wenn es am Ende schiefgehen sollte. Dann war es Merz, der entschieden hat. Die Verantwortung, das machen viele in diesen Tagen klar, lag bei ihm persönlich.

Vorerst aber stellt sich Söder breitschultrig hinter Merz: „Ich war“, schiebt er zum Beweis seiner tiefen Merz-Treue ein, „sogar im Sauerland, das erste Mal in meinem Leben.“ Heimatbesuch bei Merz? Mehr bayrische Liebe geht wirklich nicht. Oder doch? Klar, bei Söder ist immer noch einer mehr drin. Auch diesmal: Die beiden Generalsekretäre von CDU und CSU, Carsten Linnemann und Martin Huber, die seien wie Hanni und Nanni, findet Söder. Unzertrennlich. Wäre der Parteitag ein Comic, würden jetzt kleine Herzchen durchs Bild fliegen.

Der Auftakt ist gelungen – die Choreografie des Adenauerhauses insgesamt aber ist geschreddert. Niemand redet im Land in diesen Tagen über das Sofortprogramm, niemand über die Wirtschaftswende, die Merz ursprünglich als zentrales Thema seines Wahlkampfs setzen wollte. Alle reden über Risse in der Brandmauer zur AfD und die Frage, ob die Szenen sich wiederholen: Merz, der keine Kompromisse mehr macht, der seine Politik zur Not mit den Stimmen der AfD durchzieht.

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Meine schwerste Entscheidung

Der Parteitag findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen auf dem Berliner Messegelände statt. Auf dem Gebäude gegenüber läuft ein Mega-Werbeband, die SPD hat es sich rechtzeitig gesichert: „Bei Schwarz-Blau sehen wir Rot. SPD“ schleudern die Sozialdemokraten Friedrich Merz entgegen.

Merz über die AfD: „Sie ist unser wichtigster Gegner in diesem Wahlkampf“

Merz schließt später in seiner Rede jede formale Zusammenarbeit mit der AfD aus. „Es gibt keine Zusammenarbeit, es gibt keine Duldung, es gibt keine Minderheitsregierung, sie ist unser wichtigster Gegner in diesem Wahlkampf.“ Seine Partei dankt es ihm mit tosendem Beifall.

CDU Parteitag in Berlin
Friedricht Merz auf dem CDU-Parteitag: Draußen wird demonstriert, drinnen massiert die Union ihre Seele. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Dreimal hatte Merz in der vergangenen Woche in Kauf genommen, dass seine Vorschläge im Bundestag mit Stimmen der AfD eine Mehrheit finden. Bei SPD und Grünen wuchs die Sorge, dass Merz möglicherweise eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD plane.

In der Union berichten in diesen Tagen viele von den „Bauchschmerzen“, die sie mit Merz‘ AfD-Manöver haben. Doch jetzt, drei Wochen vor der Wahl, will niemand den Parteichef durch öffentliche Kritik beschädigen und Merz-freundliche Mitte-Rechts-Wähler durch ein Hin und Her verunsichern. „Wir machen doch jetzt keinen Zickzack-Kurs“, sagt einer, der eng mit Merz zusammenarbeitet. Auch nicht, wenn die Umfragen gegen Merz laufen sollten.

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Die CDU massiert an diesem Tag ihre Seele und versichert sich ihrer selbst – es ist nötiger denn je, seit Merz die Partei übernommen hat und sie nach den Merkel-Jahren wieder deutlich mehr nach rechts gerückt hat. Wie durstig die Partei nach Sätzen ist, hinter denen sich alle versammeln können, wird sichtbar, als Generalsekretär Linnemann stehenden Applaus erntet -für seine Klarstellung in Richtung aller Kritiker, die die CDU auf einem Kurs nach Rechtsaußen wähnen, weil die CDU neuerdings wieder für Deutschlandstolz kämpft: „Stolz sein hat nichts mit Nationalismus zu tun, das ist gesunder Patriotismus.“

Merz: „Wir werden angegriffen“

Und die Leute draußen im Land? Was sagen die Umfragen zum Merz-Manöver? Die ersten Stimmungsbilder geben ein diffuses Bild. Bei den AfD-Wählern ist die Sympathie für Merz offenbar leicht gewachsen, bei SPD und Grünen dagegen hat sein Ruf massiv gelitten, zeigt eine Insa-Umfrage. In der CDU warten alle gespannt auf die kommende Woche, wenn die Ergebnisse der ersten seriösen Befragungen nach der Tabubruch-Woche kommen.

In der CDU sind sie sicher: Die Hunderttausende, die gerade gegen Merz und den Rechtsruck auf die Straße gehen – das ist nicht das ganze Bild. Im Wahlkampf, an den Ständen in der Fußgängerzone, sei die Zustimmung zum Merz-Kurs groß, berichten sie sich gegenseitig. Außerdem: Hat nicht auch Helmut Kohl seine Politik gegen Massendemos durchgezogen? Die Zehntausende, die in den frühen 1980er Jahren im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss protestierten – in der CDU haben viele die Bilder noch gut in Erinnerung.

Deutschland, sagt Merz in seiner Rede, habe immer wieder hochumstrittene Schicksalswahlen erlebt. Bei solchen Wahlen habe oft die CDU gewonnen. Weil sie den Mut gehabt habe, ihre Politik gegen den Protest in der Bevölkerung durchzusetzen. „Wir werden angegriffen. Gerade jetzt kommt es darauf an, Kurs zu halten.“

Sollte es am Ende so sein, dass die Union durch das Merz-Manöver gewinnt und die AfD gleichzeitig Stimmen verliert, dann wäre seine All-In-Aktion aufgegangen. Merz, der Retter der Demokratie. So sehen sie das bei der CDU. Wenn nicht, hätten alle verloren: Merz, seine Partei und die Demokratie. „Es kann auch schiefgehen“, sagt einer. Am 23. Februar gibt es die Antwort.