Berlin. Die AfD habe den Begriff „Brandmauer“ schon lang vor der CDU verwendet, heißt es in einem Podcast. Was ein Experte an dem Wort kritisiert.

Die sogenannte Brandmauer ist in aller Munde. Zuletzt wurde auf deutschlandweiten Demonstrationen gegen radikale Rechte immer wieder gefordert, dass Friedrich Merz und die CDU die „Brandmauer“ zur AfD aufrechterhalten. Doch woher stammt der Begriff überhaupt? Zwei „Welt“-Journalisten sagen in einem Podcast: Die AfD selbst habe das Sprachbild in die öffentliche Debatte getragen.

Im Podcast „Machtwechsel – wer regiert Deutschland?“ erklärt Journalist Robin Alexander: Der Begriff „Brandmauer“ sei bereits ab 2014 medial aufgekommen, als Politiker der AfD wie Jörg Meuthen und Bernd Lucke versuchten, ihre eurokritischen Inhalte gegen Rechtsaußen abzugrenzen.

AfD und der Ursprung der „Brandmauer“ – warum Polit-Experte den Begriff kritisiert

So sei der Begriff durch parteiinterne Diskussionen schließlich in die Öffentlichkeit und das gesamte Parteiensystem gelangt. „Und natürlich wird die ‚Brandmauer‘ heute von links genutzt, um die Union in Verlegenheit zu bringen“, sagt Alexander.

Tatsächlich finden sich Belege für diese These: In einem Porträt im Magazin „Stern“ über den eurokritischen AfD-Europaabgeordneten Hans-Olaf Henkel aus dem Mai 2014 heißt es, dieser sähe sich als „eine Art Brandmauer gegen rechtes Gedankengut“ in der eigenen Partei.

„Welt“-Journalist Andreas Rosenfelder zitiert in einem Kommentar einen weiteren „Stern“-Artikel, in dem über Lucke stehen soll: „Verzweifelt versucht Lucke jetzt, eine Brandmauer gegen das rechte Milieu hochzuziehen, das ihm bei früheren Wahlerfolgen nicht unwillkommen war.“

Polit-Experte zur „Brandmauer“: „Vollkommen plausibel, wenn das Sprachbild aus der AfD käme“

Politikwissenschaftler Simon Franzmann sagt, er könne nicht mit Sicherheit sagen, wer den Begriff der „Brandmauer“ zuerst geprägt habe. „Richtig prominent wurde er meiner Wahrnehmung nach in der Nutzung von Friedrich Merz – und dann von den anderen Parteien aufgenommen“, sagt Franzmann, Professor für Demokratieforschung an der Universität Göttingen.

Demokratieforscher:
Der Göttinger Demokratieforscher Simon Franzmann hält den Begriff „Brandmauer“ für „kontraproduktiv“. © epd | FOTOSTUDIO BALSEREIT

Er halte es aber für vollkommen plausibel, wenn das Sprachbild aus der AfD käme und dann dort weiter gepflegt wurde. Denn das „Brandmauer“-Narrativ nütze der AfD, sagt Franzmann. So könne sich die Partei als populistischen Outsider darstellen, als „Opfer“, mit dem demokratische Parteien nicht zusammenarbeiten wollen.

Demokratieforscher: „Der Begriff ‚Brandmauer‘ ist bildsprachlich kontraproduktiv“

„Mit der ‚Brandmauer‘, so meine Befürchtung, gehen viele Menschen genau dieser Taktik – diesem Trick – auf den Leim.“ Tatsächlich seien die übrigen Parteien im alltäglichen Parlamentsbetrieb aber öfter auf die Kooperation mit der AfD angewiesen, etwa, wenn es darum geht, in einem Ausschuss beschlussfähig zu sein. „Jede normale Interaktion, jedes normale Mitstimmen der AfD kann von der Partei dann als ‚Einsturz‘ der Brandmauer gefeiert werden“, sagt Franzmann.

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Warum die „Brandmauer“-Metapher der AfD nützt

Von weiten Teilen der Wählerschaft werde der Begriff zudem so verstanden, dass ihre Anliegen und Themen hinter eine Mauer gehören. „Dabei geht es vielen Wählern eben darum, bislang unbearbeitete Themen auf die Agenda zu setzen.“ So ist es laut Franzmann der CDU nicht gelungen, ein eigenes Narrativ zur Migrationspolitik aufzubauen oder Lösungsvorschläge für die zugrundeliegenden Probleme der Einwanderungsgesellschaft zu liefern.

Wie also umgehen mit der AfD und dem „Brandmauer“-Begriff? Franzmann sagt: Die demokratischen Parteien sollten ihre eigenen Themen setzen, dabei aber nicht die Politik der Rechtsaußenparteien übernehmen. „Eine Politik der Stoppschilder und der Abgrenzung nach rechts ist auch ohne die Metapher der ‚Brandmauer‘ möglich“, so der Politikexperte.

Die „Brandmauer“ nach rechts hätte es vielmehr früher parteiintern in der AfD gebraucht. Letztlich sieht Simon Franzmann eher davon ab, die Metapher zu nutzen. „Die ‚Brandmauer‘ wird von Leuten ausgegeben, deren eigentliches Anliegen es ist, die Gesellschaft zu öffnen, Mauern einzureißen und Brücken zu bauen“, so der Demokratieforscher. „Sie diskreditieren damit ihre eigene Position – und ‚schenken‘ ihren Gegnern einen Opferstatus, den diese nicht verdienen.“