Berlin. Die 24-jährige Israelin und zwei weitere Frauen stehen auf der Liste derjenigen, die zuerst freigelassen werden – nach 470 Tagen.

Es müssen unvorstellbare Qualen sein, die die Geiseln der Hamas-Terroristen durchlitten haben. Nach 470 Tagen endet nun die Gefangenschaft, in der sie sich seit dem 7. Oktober 2023 befunden haben – zumindest für drei von ihnen. Romi Gonen (24), Emily Damari (28) und Doron Steinbrecher (31) kamen am Sonntag frei. Auch dies gelang nicht reibungslos: Die Waffenruhe sollte ursprünglich um 7.30 Uhr deutscher Zeit beginnen. Doch weil die Hamas die Namen der drei Geiseln nicht vorlegte, verzögerte sich das Inkrafttreten bis 10.15 Uhr. Die Terrororganisation nannte „technische Gründe“ für die fehlenden Namen. In dieser Zeit gingen auch die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen weiter.

Verfolgen Sie die Entwicklungen hier: Newsblog zu Waffenruhe und Geisel-Deal in Israel

Aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas erklärte Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir seinen Rücktritt. Damit verlasse auch seine Partei Otzma Jehudit, die über sechs von 120 Sitzen in der Knesset verfügt, die Regierungskoalition. Die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verliert damit aber nicht ihre Mehrheit im Parlament. Sie hat weiterhin 62 der 120 Sitze in der Knesset. 

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Israel: So lief die Übergabe der Geiseln ab

Über die Dauer der vereinbarten Waffenruhe, die 42 Tage halten soll, sollen nun insgesamt 33 Geiseln freigelassen werden. Frauen, Kinder, Ältere und Kranke. Sieben Tage nach Anbruch der Waffenruhe, so sieht es das Abkommen vor, soll die Hamas Israel einen detaillierten Zustandsbericht über die einzelnen Gefangenen abliefern. Im Gegenzug will Israel 735 palästinensische Häftlinge freilassen. Es ist die erste Phase von drei Etappen des Geisel-Deals. Stand jetzt befinden sich noch 98 Männer, Frauen und Kinder in den Händen der Hamas.

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Romi, Emily und Doron wurden am Sonntag im Gazastreifen von der Hamas dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes übergeben; dieses wiederum sollte sie einer Spezialeinheit der israelischen Armee übergeben. Die Soldaten brachten sie dann für einen ersten medizinischen Check zu einem Armeestützpunkt auf israelischem Gebiet. Anschließend wurden sie in ein Krankenhaus gebracht, wo sie mit ihren Angehörigen zusammengebracht und für vier Tage stationär aufgenommen werden. Danach darf jede entscheiden, wohin sie möchte – zu ihrer Familie oder in ein Hotel.

Israel: Romi Gonen, 24, wurde auf dem Nova-Festival gekidnappt – Schwester in Sorge

Noch weiß man nicht, was sie im Detail erlebt haben – man kann jedoch davon ausgehen, dass ihr Martyrium sie fürs Leben begleiten wird.

Romi Gonen etwa wurde auf dem Nova-Musikfestival gekidnappt. Zwei ihrer Freunde wurden im Auto neben ihr erschossen, Romi selbst erlitt eine Schussverletzung am Arm. Freunde und Familie gehen davon aus, dass die Wunde in Gaza nicht ordnungsgemäß versorgt wurde. So berichteten es frühere Geiseln, die Romi in Gefangenschaft kennengelernt hatten.

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Neben der Verletzung hat die junge Frau mehrere chronische Erkrankungen, für die sie Medikamente braucht, wie ihre Schwester Yarden Gonen der „Jüdischen Allgemeinen“ sagte. „Ich glaube nicht, dass sie jemals Medizin erhalten hat“, sagte Yarden. In welchem Zustand Romi den Gazastreifen verlassen wird, ist daher völlig unklar. Dass sie eine der Ersten sein wird, könnte ein Zeichen dafür sein, dass es ihr medizinisch besonders schlecht geht.

Gonen stammt aus dem Norden Israels, aus einer Gegend, die von arabischen Orten geprägt ist. Das Nebeneinander von Israelis und Arabern war ihr immer wichtig, heißt es aus ihrem Umfeld. Sie tanzte für ihr Leben gern. Sonntags veranstalten Freunde und Familie deshalb auf dem „Hostages Square“, dem „Platz der Geiseln“ in Tel Aviv, eine Tanzstunde, um an Romi zu erinnern.

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Sie ist eines von fünf Geschwister. Yarden Gonen vermisst ihr ansteckendes Lachen. Sie stellt klar: „Für mich ist Romi nicht nur ein Gesicht auf einem Vermissten-Poster, sie ist meine geliebte kleine Schwester.“ Der Vater der 24-Jährigen sagte der Nachrichtenseite „ynet“, er werde nun endlich seine Tochter umarmen können. „Mir fehlen die Worte, um das Gefühl zu beschreiben“. Die Familie habe mehr als 11.000 Stunden auf die Ankündigung, dass die junge Frau freikomme, gewartet. 

Israel: Junge Frau mit britischen Wurzeln unter den drei Freigelassenen

Auch Emily Damari wird von ihren Angehörigen sehnlichst erwartet. Die heute 28-Jährige stammt eigentlich aus London, hat die britische und die israelische Staatsangehörigkeit. Sie gilt als großer Fußballfan der Tottenham Spurs und als Anhängerin des Sängers Ed Sheeran. Als sie sich verliebte, beschloss sie, nach Israel auszuwandern und eine Familie zu gründen.

Emily Damari lebte im Kibbuz Kfar Aza, als sie am 7. Oktober 2023 von Terroristen verschleppt wurde. Eine Freundin berichtete damals, sie habe Damaris Auto am späten Vormittag dieses Tages durch den Kibbuz fahren sehen – womöglich habe ein Terrorist am Steuer gesessen. Damari trug Schussverletzungen an einer Hand und einem Bein davon. Ihren Hund Choocha töteten die Terroristen. Noch vor einem Monat zeigte sich Damaris Mutter Mandy in der BBC besorgt um ihre Tochter: „Auch wenn sie nicht tot ist, bekommt sie nicht genug Essen, sie kann sich nicht waschen oder Wasser trinken, sie könnte krank sein.“ Emilys Instagram-Profil ist privat. Und doch kann man aus dem einen Satz, den sie als Leitmotiv angepinnt hat, ihr Lebensmotto schließen: „You only live once, but if you do it right, once is enough.“ (dt.: Du lebst nur einmal, aber wenn du es richtig anstellst, ist einmal genug.)

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Geiseln in Gaza: Doron Steinbrecher meldete sich in einem erzwungenen Video zu Wort

Wie Emily stammt auch Doron Steinbrecher aus Kfar Aza. Als die Terroristen in ihr Haus einbrachen, versteckte sie sich unter ihrem Bett. „Sie haben mich, sie haben mich“, waren die letzten Worte, die sie als Sprachnachricht an ihre Familie schickte. Es dauerte 107 Tage, ehe Doron sich in einem erzwungenen Video aus Gaza meldete, gemeinsam mit zwei weiteren Geiseln. Über ihren Zustand ist seither nichts bekannt. Doron ist gelernte Tierarzthelferin. Im Kibbuz lebt auch ihre Schwester mit ihren Söhnen, zu denen die junge Frau ein inniges Verhältnis hat. Bei ihnen heißt Doron nur „DoDo“. Sie warten auf ihre Tante – in einer Kiste sammeln sie lauter Dinge, die sie ihr zeigen wollen, sobald Doron zurück ist.

Phase drei sieht einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren vor. In dieser Spanne sollen die Leichname getöteter Geiseln an die Angehörigen übergeben werden. Zugleich soll mit dem Wiederaufbau des Gazastreifens begonnen werden, diesmal unter internationaler Aufsicht.