Jerusalem. Endlich macht sich Hoffnung breit im Nahen Osten, die man nicht enttäuschen darf. Warum erst so spät, sollte aufgeklärt werden.

Wie viele Menschen sich in den vergangenen Monaten auf den Straßen Israels die Kehlen wund geschrien haben, um eine Kampfpause in Gaza und die Rückkehr der Geiseln zu erreichen. Wie viele Menschen in Gaza die Welt aufriefen, dieser Hölle auf Erden, die so vielen Menschen das Leben gekostet hat, ein Ende zu setzen. Sie alle dachten, niemand würde sie hören. Nun haben sich die Verhandler wenigstens auf die Eckpunkte einer Waffenruhe geeinigt, auch wenn Details noch offen sind.

Endlich besteht Hoffnung, dass schon bald wenigstens einige der am 7. Oktober 2023 verschleppten und seither in Gaza festgehaltenen und gefolterten Geiseln zu ihren Familien zurückkehren dürfen – oder zu jenem Teil, der nicht selbst von der Hamas ermordet wurde. Endlich dürfen in Gaza Hunderttausende Menschen die überfüllten Flüchtlingslager verlassen. Endlich können sich die Menschen im Gazastreifen nun hoffentlich im Freien bewegen, ohne dabei um ihr Leben fürchten zu müssen.

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Gerade weil die Erleichterung über den lange erwarteten Deal groß ist, muss man fragen: Warum erst jetzt? Nahezu derselbe Entwurf für ein Übereinkommen zwischen Israel und der Hamas wurde schon im vergangenen Mai vorgelegt, später dann auch im Juli. Eine Einigung scheiterte damals an ein paar Details. Wie viele Kinder haben seither ihre Eltern, wie viele Eltern ihre Kinder verloren, auf beiden Seiten? Wie viele Geiseln hätten gerettet werden können, wie viele Familien in Gaza wären nicht ausgelöscht worden, wie viele junge Soldaten hätten nicht begraben werden müssen?

Maria Sterkl
Maria Sterkl ist freie Nahost-Korrespondentin. © privat | Privat

Die Frage „Was wäre gewesen, wenn“ hat in der politischen Analyse einen schlechten Ruf, schließlich kann man die Ereignisse nicht ändern. Fest steht: Hätte die Hamas das blutige Massaker des 7. Oktober nicht begangen, hätte es diesen Krieg nicht gegeben, den man nun in mehreren Etappen beenden will. Im Rückblick auf die Ereignisse in Gaza, Israel und im Libanon ist es aber auch notwendig zu fragen, warum es so lange gedauert hat, die Verhandlungen zu einem Ende zu bringen. Hier muss sich auch die israelische Regierung Vorwürfe machen lassen.

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Kritische Stimmen in Israel hatten schon lange gewarnt, dass militärische Lösungen alleine zu wenig sind, um die Ziele der Regierung zu erreichen. Sie haben gemahnt, dass der Druck der Armee alleine nicht genug ist, um die Geiseln zurückzuholen. Und dass der Kampf am Boden und aus der Luft niemals reichen wird, um die Hamas zu stürzen und durch ein anderes Regime zu ersetzen. Dafür braucht es politische Lösungen, geschickte Verhandlungen und jede Menge Druck.

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Das alles war lange bekannt. Trotzdem verkauften machthungrige Hardliner in der israelischen Regierung die Öffentlichkeit für dumm. Sie gaukelten ihr vor, man könne jeden einzelnen Hamas-Kämpfer festnehmen oder töten und dabei die Geiseln in Gaza unbeschadet lassen. Und sie taten so, als könne man die Hamas stürzen, ohne eine Alternative zu ihr aufzubauen – und so den Menschen in Gaza zu signalisieren, dass es eine Zukunft abseits des islamistischen Terrorregimes gibt, das diesen blutigsten aller Kriege begonnen hat.

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Jetzt heißt es aber erst einmal: Durchatmen – und dann durchhalten. Einen Deal zu unterzeichnen, und selbst das steht zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen noch bevor, das ist das eine. Diesen Deal dann aber am Leben zu erhalten, auch über die ersten zwei Wochen hinaus, ist die wahre Herausforderung. Was nun unbedingt notwendig ist: Den Druck, der diese Einigung möglich gemacht hat, auch in den nächsten Monaten aufrecht zu erhalten. Die Welt sollte sich dabei nicht nur auf Donald Trump verlassen.