Washington. Nach dem angekündigten Rücktritt von Justin Trudeau stellt sich die Frage nach Nachfolgern. Einer hat Gemeinsamkeiten mit Donald Trump.

Nach dem angekündigten Rücktritt von Kanadas Premierminister Justin Trudeau (53) wachsen die Sorgen, dass Kanada in die Fußstapfen des US-amerikanischen Nachbarn treten könnte und einen unberechenbaren Populisten wählen wird. Trudeau hatte am Montag mit sofortiger Wirkung den Parteivorsitz der Liberalen niedergelegt. Er will auch als Regierungschef zurücktreten, sobald ein Nachfolger gefunden ist.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau kündigte am Montag in Ottawa seinen Rücktritt an.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau kündigte am Montag in Ottawa seinen Rücktritt an. © AFP | DAVE CHAN

Klarer Favorit für den Job des Regierungschefs ist nämlich der konservative Oppositionschef Pierre Poilievre (45), ebenfalls ein Populist, der auffallende Gemeinsamkeiten mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump aufweist. Nach aktuellen Umfragen liegt der Parteichef von Kanadas Konservativen mehr als 20 Prozentpunkte vor Trudeau und würde sogar mehr Stimmen bekommen, als dieser bei seiner ersten Wahl im Jahr 2015 erhielt.

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Rücktritt von Justin Trudeau: Kommt nun Kanadas Trump?

Die Gründe für den tiefen Sturz des früheren „Sunny Boy“ der kanadischen Politik sind vielschichtig. Lange Zeit verfolgte er eine progressive Agenda. Trudeau hatte als erster Premierminister einen Muslim ins Kabinett geholt und die Ministerposten zu gleichen Teilen an Männer und an Frauen vergeben. Er sagte dem Klimawandel den Kampf an und engagierte sich für erneuerbare Energien. Zuletzt litt aber seine Popularität unter den hohen Lebensmittel- und Energiepreisen sowie dem Mangel an erschwinglichen Wohnungen.   

Politische Gegner warfen ihm vor, diese Probleme zu lange unter den Teppich gekehrt zu haben. Auch habe er die Gefahr unterschätzt, die von Trumps zweiter Amtszeit und den angekündigten US-Einfuhrzöllen ausgeht.

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Für Trump ist Kanada ohnehin wenig mehr als eine Provinz; Trudeau bezeichnete er unlängst despektierlich als „Gouverneur“. Wird Kanada dem 78-Jährigen etwas entgegensetzen können? Wird Trump künftig weite Teile des nordamerikanischen Kontinents dominieren?

Meinungsverschiedenheiten über Ottawas Umgang mit Trump hatten auch zum Rücktritt von Finanzministerin Chrystia Freeland geführt, der Trudeaus Ansehen weiteren Schaden zufügte. Freeland werden nun gute Chancen eingeräumt, die Spitze der Liberalen Partei zu übernehmen.

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Pierre Poilievre hat auffallende Parallelen zu Donald Trump

Neuwahlen wird es spätestens im Oktober geben. Möglich ist aber, dass diese deutlich früher stattfinden werden. Denn am 24. März wird das Parlament wieder zusammentreten. Wenn es dann ein das Misstrauensvotum gegen Trudeau gibt, käme es zu vorgezogenen Neuwahlen. Als Favorit wird dann Poilievre ins Rennen gehen.

Kanadas neuer Trump? Pierre Poilievre könnte Justin Trudeau nachfolgen.
Kanadas neuer Trump? Pierre Poilievre könnte Justin Trudeau nachfolgen. © AFP | DAVE CHAN

Der Parteichef von Kanadas Konservativen steht wie auch Trump mit herkömmlichen Medien auf Kriegsfuß und fühlt sich von der politischen Elite missverstanden. Auch neigt er dazu, Gegner zu verspotten und verwendet nicht selten simplistische, irreführende, aber für Durchschnittswähler einprägsame Parolen. So bezeichnete Poilievre das hohe Preisniveau als Ergebnis von „Justinflation“ und illustrierte seine Forderung nach Steuersenkungen mit dem Slogan „Axe the Tax!“

Politische Beobachter in den USA sind der Ansicht, dass Poilievre und Trump sich aufgrund ihres ähnlichen Temperaments glänzend verstehen würden. Ebenso wie der Republikaner plädiert der Kanadier für niedrigere Steuern, umfangreiche Sparmaßnahmen und weniger staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Für Reibereien könnten hingegen Differenzen in anderen Bereichen sorgen. Anders als Trump steht Poilievre nämlich Einwanderern toleranter gegenüber, würde die Ukraine stärker unterstützen und unterstützt erneuerbare anstelle von fossilen Energien.