Moskau. Die Russen ächzen unter der Preissteigerung – aber was kosten Butter, Brot und Co. jetzt wirklich? Unser Korrespondent war im Supermarkt.
„Alles ist teuer geworden“, klagt eine Rentnerin im Supermarkt. Was sie in den Nachrichten hört, das beunruhige sie, sagt sie. Um die vier Prozent sollte die Inflation liegen, versprach die Regierung. Nun, zum Jahresende, liegt sie bei fast neun Prozent. Aber stimmt das, ist wirklich alles teurer geworden? Und welche Lebensmittel kaufen die Russinnen und Russen überhaupt? Soziologen der Moskauer „Higher School of Economics” haben das untersucht und Menschen unterschiedlicher Einkommensschichten befragt. Wer auf den Rubel achten muss, kauft vor allem Getreide, Kartoffeln und Mehlprodukte. Dazu Hühner- und Schweinefleisch in Dosen oder gefroren. Und auch saisonales Obst und Gemüse.
Wir machen den Test, gehen einkaufen im Supermarkt um die Ecke. Der erste Eindruck: Alles ist da, die Regale sind voll. Aber manches ist sehr viel teurer geworden. Zum Beispiel die Butter. Markenbutter in Deutschland kostet etwa bei Rewe 5,78 Euro pro Pfund. In Moskau bezahlen wir umgerechnet 6,31 Euro. Dabei profitieren wir bei der Umrechnung vom schwachen Rubelkurs. Ein Euro entspricht derzeit fast 110 Rubel. Für uns gut, für die Menschen in Russland allerdings ein Problem. Importe werden teurer, die Inflation angeheizt. „Wir haben einen neuen inflationsfördernden Faktor, den Wechselkurs“, sagt Zentralbankchefin Elwira Nabiullina. Konsequenz: Der ohnehin schon hohe Leitzins von 21 Prozent soll weiter angehoben werden. Das wiederum bremst die Wirtschaft.
Laut der russischen Statistikbehörde Rosstat ist der Butterpreis von Anfang 2024 bis zum 5. November um sagenhafte 27,5 Prozent gestiegen. Mittlerweile wird Butter in einigen Geschäften wie Kaviar verkauft – um Diebstahl zu verhindern, wird die wertvolle Butter in Schutzkartons verpackt. Die Produktionskosten seien gestiegen, so die Hersteller. Rohstoffe seien um 20 Prozent teurer geworden, Kredite seien teuer, vor allem aber seien die Gehälter der Mitarbeiter um 24 Prozent gestiegen.
Russland: Krieg in der Ukraine treibt Preise – aber auch der demografische Wandel
Zumindest indirekt liegt dies auch am Krieg in der Ukraine. Das Militär bietet extrem gute Entlohnung für Soldaten, auch in der Rüstungsindustrie wird sehr gut verdient. Arbeitnehmer wandern aus anderen Bereichen ab – oder verlangen höhere Löhne. „Es waren diese Branchen, die maßgeblich für das anfängliche Lohnwachstum auf dem Arbeitsmarkt sorgten. Ihnen folgten Sekundärnachfragebranchen, also deren Zulieferer und Partner“, sagt der Ökonom Nikolai Kulbaka auf dem Onlineportal rg.ru. Allerdings: „Die wichtigsten Trends auf dem Arbeitsmarkt werden entgegen der landläufigen Meinung von der langfristigen demografischen Lage des Landes bestimmt.“ Sprich: Die Gesellschaft wird älter, es gibt weniger Arbeitskräfte.
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Wir gehen weiter durch die Supermarkt-Regale. Erfreulich: Das Kilo bester, schmackhafter Kartoffeln, wie man sie in Deutschland nicht findet, kostet nur 90 Cent. Billiger als im deutschen Supermarkt. Zum gleichen Preis bekommen wir 250 Gramm frisches Brot. In einer deutschen Bäckerei wäre es deutlich teurer. Fünf Bananen gibt es für 1,60 Euro. Sie kosten in Deutschland 2,50 Euro. Teurer geworden in Russland ist die Milch, ein Liter kostet jetzt 1,50 Euro. Etwa wie Markenmilch in Deutschland. Teuer ist auch die Markenschokolade und – vor allem – westliche Produkte. Eine kleine Tube Colgate-Zahnpasta kostet umgerechnet 1,50 Euro. Russische Zahncreme, genauso gut, gibt es schon für 70 Cent. Noch teurer sind sanktionierte Produkte, importiert über Umwege.
Laut Rosstat stiegen die Preise für Lebensmittel im letzten Monat im Vergleich zum November im Vorjahr um fast 19 Prozent. Manche Lebensmittel sind vergleichsweise billig geblieben. Zum Beispiel Sonnenblumenöl. Bei unserem Einkauf kostete der Liter 1,60 Euro. Bei Rewe in Deutschland wären 2,19 Euro fällig. Insgesamt haben wir im Moskauer Supermarkt für knapp 15 Euro eingekauft. Gleich nebenan, im Einkaufszentrum, gibt es noch eine neue Jeans. „Ecru“ heißt eine der hiesigen Marken, Kostenpunkt 36 Euro. Das ist erträglich. Westliche Jeans gibt es vereinzelt auch noch, aber nicht für unter 200 Euro.
Wie kommen Russinnen und Russen mit dem Preisanstieg zurecht?
Wie aber kommen die Russinnen und Russen mit dem Preisanstieg zurecht? Gut dran ist, wer ein reguläres Arbeitsverhältnis hat. Auch in Russland herrscht inzwischen Fachkräftemangel. Arbeitgeber etwa in der IT-Branche spüren das Problem am stärksten, weiß Natalia Danina, Arbeitsmarktexpertin beim Recruiting-Unternehmen HeadHunter. Bewerber würden hohe Ansprüche an das Gehalt und finanzielle Zuschläge stellen, sagt sie. Konsequenz: Die Löhne steigen stark, landesweit im Vergleich zum Vorjahr um fast 18 Prozent. Im zweiten Quartal 2024 betrug das Durchschnittsgehalt in Russland fast 800 Euro. Im reichen Moskau sind es sogar 1400 Euro. Auf der Ausgabenseite sind im Vergleich zu Deutschland die Mieten relativ günstig. In der Moskauer Innenstadt bekommt man 120 Quadratmeter für rund 900 Euro. Mit Nebenkosten und Heizung. Benzin ist sogar spottbillig, der Liter kostet etwa 54 Cent.
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Sehr teuer ist das Leben in Russland allerdings für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen geworden – und für die Rentner. Wer sich nicht privat für das Alter abgesichert hat, für den bleiben im russischen Durchschnitt magere 200 Euro im Monat an staatlicher Rente. Für viele heißt das: weiterarbeiten, solange es irgendwie geht.