Düsseldorf. Experten sind sich einig: Trotz des Rechts auf Betreuung gleiche die Anmeldung von Kindern in Kitas in NRW einer Platz-Lotterie.

Trotz der vielerorts angebotenen Online-Portale -- hier das Beispiel Bochum -- geht es bei der Anmeldung von Kindern in Kitas oft ungerecht zu, kritisierten Sachverständige in einer Expertenanhörung im Landtag.

Laut Prof. Nina Hogrebe von der TU Dortmund sind viele dieser Portale zu unverständlich und hindernisreich, um alle Eltern bei der Anmeldung zu unterstützen. Auch die Platzvergabe selbst sei mitunter fragwürdig. „Sie erfolgt häufig dezentral, das heißt in der Regel durch das Leitungspersonal in den Einrichtungen, und wird – wenn überhaupt – nur teilweise strukturiert sowie durch verbindliche Richtlinien der Jugendämter gerahmt“, so Hogrebe in ihrer Stellungnahme.

„Wenn Kinder nicht in die Kita gehen, dann liegt das nicht am fehlenden Willen der Eltern, sondern weil Familien keinen Zugang zum System finden“, betonte Hogrebe. In NRW besuchen etwa 15 Prozent der dreijährigen Kinder keine Kita.

Kita-Anmeldung: Nachteile für Alleinerziehende, Migranten und Menschen mit Behinderung

Es gebe einige Studien, die aufzeigten, dass zum Beispiel Kinder von Alleinerziehenden, die in Armut leben, einen Migrationshintergrund oder eine Behinderung hätten, trotz einer Bewerbung keinen Platz in einer Kita erhielten.

Auch der Wohlfahrtsverband „Der Paritätische“ hinterfragt das System der Kita-Anmeldung in NRW. „Um allen Kindern einen Zugang zu frühkindlicher Bildung zu ermöglichen ist es essenziell, dass die Betreuungsangebote niederschwellig für Familien zugänglich sind“, schreibt Mechthild Thamm vom Paritätischen in ihrer Stellungnahme.  Dies bedeute, dass der Zugang über Anmeldeportale einfach und mehrsprachig möglich sein müsse. Um Fehlern bei der Anmeldung vorzubeugen, müssten spezielle „Anlaufstellen“ gegründet werden, um Familien bei der Anmeldung zu unterstützen.

Was bringt ein Pflicht-Kitajahr?

Ein verpflichtendes letztes Kitajahr könnte laut dem privaten Träger Fröbel Kinder besser auf den Schulstart vorbereiten und Bildungsungerechtigkeiten abmildern. „Ziel sollte es jedoch sein, Kindern den Zugang zur Kita noch früher zu ermöglichen. Der dafür entscheidende Erfolgsfaktor sind jedoch ausreichende Kitaplatz-Kapazitäten und ein niedrigschwelliger Zugang. Der aktuelle Mangel bildet immer noch die größte Barriere für die Teilhabe von Kindern an Angeboten der frühen Bildung“, steht in der Stellungnahme.

Sowohl Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung als auch Prof. Nina Hogrebe von der TU Dortmund sind skeptisch: „Ein verpflichtendes letztes Kita-Jahr wie in Hamburg sehe ich kritisch. Das kommt viel zu spät, und die Teilnahme-Quoten im letzten Kita-Jahr sind auch ohne Pflicht gut“, sagte Hogrebe. Auch Bock-Famulla erinnert an die heute schon „sehr hohen Teilnahmequoten“ im letzten Kita-Jahr.

Gerade sozial benachteiligte Familien in benachteiligten Lebenslagen hätten trotz des Rechts auf Betreuung weniger Zugang zu Betreuungsplätzen und Bildungsangeboten, warnt Thamm.

Der private Kita-Träger Fröbel plädiert für „transparente Vergabekriterien“ für Kita-Plätze und für einen Aufnahme-„Förderzuschlag“ für Kinder aus sozial benachteiligten Familien.

Warum müssen Eltern in NRW so lange Betreuungszeiten buchen?

Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung kritisierte darüber hinaus den Zwang, Kinder möglichst lange betreuen zu lassen: „Das Kita-Finanzierungssystem in NRW ist so gestaltet, dass Eltern in der Regel nur Plätze mit sehr hohen Buchungszeiten zur Verfügung gestellt bekommen. 60 Prozent der Eltern haben einen Platz mit über 45 Stunden. Wir sehen aber, dass Eltern in NRW einen deutlich geringeren Buchungsumfang benötigen. Das ist eine Fehlsteuerung.“

Das Recht auf Betreuung in Kitas wird wegen fehlender Plätze nicht überall erfüllt

Alle Experten in dieser Landtags-Anhörung sind sich darin einig, dass die Kita-Betreuung in NRW unterfinanziert sei und unter dramatischem Personalmangel leide. Prof. Hogrebe stellte klar: „Jedes Kind hat Anspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung, unabhängig davon, ob die Eltern erwerbstätig sind oder nicht, oder davon, ob sie als benachteiligt gelten oder nicht.“ Leider übersteige die Nachfrage nach Kita-Plätzen vielerorts das Angebot.

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