Berlin. .

Von Ja über Jein bis zum Nein reichen die Meinungen zur Präimplantationsdiagnostik. Vertreter der verschiedenen Richtungen arbeiten jetzt an drei Gesetzentwürfen, über die 2011 ohne Fraktionszwang abgestimmt werden soll.

Die Befürworter wollen Familien mit Erbkrankheiten helfen und Spätabtreibungen verhindern. Die Gegner wollen keine Auslese menschlichen Lebens und Embryonen als „Ersatzteillager“. Der Streit um die Präimplantationsdiagnostik (PID) spitzt sich quer durch alle Parteien immer mehr zu. Mit diesem Verfahren können Mediziner prüfen, ob ein künstlich be­fruchteter Embryo einen genetischen Defekt hat.

Vom Gericht zugelassen

Sowohl die Befürworter als auch die Gegner legen in diesen Tagen Gesetzentwürfe zum Verfahren mit PID vor, nachdem das Verfassungsgericht das Verfahren mit einem Urteil im Juli faktisch zugelassen hat. 2011 soll der Bundestag über die PID entscheiden – wobei die Parteien hier auf einen Fraktionszwang verzichten. Derzeit gibt es drei Haltungen im Bundestag – eine Mehrheit ist aber noch nicht absehbar.

Die Befürworter: Die Wortführer, Staatssekretär Peter Hintze (CDU) und die FDP-Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach (FDP), werden am morgigen Dienstag einen Gesetzentwurf präsentieren. Sie wollen die PID bei Eltern zulassen, bei denen es sehr wahrscheinlich ist, dass ihr Kind eine schwerwiegende Erbkrankheit hat.

Bei Gefahr von Tot- oder Fehlgeburt

PID soll auch erlaubt sein, wenn die Gefahr einer Tot- oder Fehlgeburt groß ist. Auf welche Erbkrankheit hin geprüft wird, das soll eine Ethikkommission regeln, die jeden Einzelfall beurteilt. So ist auch ein Gentest auf Krankheiten wie das Down-Syndrom oder Mukoviszidose nicht per Gesetz verboten. Vor einem Test müssen fachlich geschulte Ärzte die Mütter medizinisch und psychologisch beraten. Medizinern, die dies nicht tun, droht eine Geldstrafe. Unterstützung findet der Gesetzentwurf bei Abgeordneten aus allen Parteien, darunter Carola Reimann (SPD), Jerzy Montag (Grüne) und Petra Sitte (Linke). Die moderaten Befürworter: Sie wollen die PID nur in Ausnahmefällen zulassen und so verhindern, dass Embryonen wegen einer Behinderung wie dem Down-Syndrom, selektiert werden. „Eine gesetzliche Festlegung darüber, welcher Embryo lebenswert oder nicht lebenswert ist, ist aus ethischen Gründen klar abzulehnen“, heißt es in dem Papier. „Eckpunkte für ein Gesetz zur begrenzten Zulassung“ der biotechnologischen Sprecherin der Grünen-Fraktion, Priska Hinz. Unter dem Strich möchte sie die PID nur einsetzen, um Totgeburten oder um derart schwer behinderte Babys zu verhindern, die wahrscheinlich im ersten Lebensjahr sterben.

Die Gegner: Zu ihnen gehören SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sowie die Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer (CSU) und Biggi Bender (Grüne). „Eine Gesellschaft, in der der Staat darüber entscheidet oder andere darüber entscheiden lässt, welches Leben gelebt werden darf oder nicht, verliert ihre Menschlichkeit“, heißt es in einem Eckpunktepapier der PID-Gegner.

Erwünschte Embryonen

Indirekt warnt es vor Zuständen wie zu Zeiten des Nationalsozialismus. Durch die Zulassung der PID würde die „Selektion menschlichen Lebens aufgrund einer schweren Erkrankung oder Behinderung wieder in die deutsche Rechtsordnung eingeführt“. Die Gegner befürchten zudem, dass Mediziner künftig gezielt „erwünschte“ Embryonen den Frauen einsetzen, die als Organ- oder Knochenmarkspender dienen könnten.

Praxis in anderen Ländern

In Belgien wird die PID seit 1993 durchgeführt. Dies machen sieben lizenzierte Zentren in Kooperation mit einem hu­mangenetischen Zentrum. Ein entsprechendes Gesetz, das die Forschung an Embryonen regelt, gibt es aber erst seit 2003. Die PID ist in Belgien für ein weites Spektrum an medizinischen Indikationen er­laubt. Bevor es zu einer PID kommt, wird die Frau von Genetikern, Fortpflanzungsexperten und Psychologen be­treut. Nur wenn diese Experten – und bei Bedarf auch ein Ethikkomitée – keine Bedenken haben, ist eine künstliche Befruchtung erlaubt.

In Großbritannien ist die PID bereits seit 1990 erlaubt, um schwere Krankheiten oder spontan auftretende Chromosomen-Defekte zu entdecken. Die PID unterliegt wie alle Arbeiten an Embryonen einer speziellen Behörde. Diese lizenziert alle Forschungsvorhaben und entscheidet darüber, welche genetisch und chromosomal bedingten Störungen überhaupt für eine PID zulässig sind. Auch in England gibt es vor der PID ein Beratungsverfahren. Hier wird die Situation des Paares berücksichtigt und der Rat verschiedener Mediziner und Patientengruppen.

In Frankreich ist die PID seit 1999 möglich. Drei Zentren dürfen die Technik anwenden. Diese ist bei Familien erlaubt, die von einer schweren und unheilbaren, genetisch bedingten Krankheit betroffen sind. In Frankreich gibt es keine Liste mit Krankheitsanlagen, die untersucht werden dürfen. Stattdessen wird jeder Einzelfall nach einem festen Verfahren überprüft. Die französischen PID-Regeln sind restriktiver als die belgischen oder britischen: Verboten ist die Suche nach Chromosomenstörungen, die erst während der Keimzellbildung oder Befruchtung entstehen.