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Die PID gibt Eltern nach der künstlichen Befruchtung die Chance ihr Ungeborenes auf Erbkrankheiten zu untersuchen. Bislang war das Verfahren in Deutschland verboten. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes könnte sich das jetzt ändern.
Im Gegensatz zu Großbritannien, Belgien und den Niederlanden war die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, bisher in Deutschland nicht zugelassen. Im Juli 2010 entschied jedoch der Bundesgerichtshof, dass die Untersuchung nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt. „Nun ist der Gesetzgeber in der Pflicht, eine neue Regelung zu schaffen“, sagt Dr. Bert Heinrichs vom Deutschen Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften.
Wie läuft eine PID ab?
Bei der PID wird das Erbgut des Embryos etwa sechs bis acht Tage nach der künstlichen Befruchtung auf genetische Krankheiten untersucht. „Das geschieht noch außerhalb des Mutterleibs“, sagt Heinrichs. Genetische Erkrankungen wie Sichelzellanämie, Cystische Fibrose oder Spinale Musklatrophie können durch die PID erkannt werden. Diese Krankheiten des Kindes können für die Eltern eine erhebliche seelische und körperliche Belastung sein, weshalb sie sich gegen die Einpflanzung des Embryos entscheiden können.
Warum hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die PID nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt?
Bisher war die PID in Deutschland verboten. Denn man ging davon aus, dass durch die Untersuchung die Rechte des Embryos auf Leben verletzt werden. Die Begründung: Wird bei der Untersuchung eine schwere genetische Erkrankung feststellt, kann das Paar entscheiden, ob der Embryo in den Mutterleib eingesetzt wird oder nicht – Leben wird also zerstört. Doch der Bundesgerichtshof sieht das anders. Denn eine PID wird nur infolge einer künstlichen Befruchtung gemacht. „Deshalb müssen die künstliche Befruchtung und die PID als Einheit gesehen werden“, sagt Heinrichs. Anstatt es zu nehmen, gibt diese Einheit Leben.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes folgt auch eine hitzige Diskussion in der Politik, die ganze Parteien spaltet. So sprach sich die CDU beim Parteitag in Karlsruhe nur knapp für das Bestehen des Verbotes aus: 51 Prozent der Deligierten stimmten für einen entsprechenden Antrag, 49 dagegen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP Ulrike Flach ist dagegen für eine PID-Freigabe. Eine eng begrenzte Zulassung fordert dagegen Gesundheitsexpertin und SPD-Politikerin Carola Reimann. Im kommenden Frühjahr will der Bundestag über die Regelung der PID entscheiden.
Was befürchten Kritiker?
Kritiker sind besorgt, dass durch die PID-Freigabe kranke Embryonen künftig vernichtet werden und somit kein recht auf Leben haben. Dabei findet die befürchtete Selektion schon heute statt. Egal ob durch Ultraschall oder Fruchtwasseruntersuchung – mit vorgeburtlichen Untersuchungen haben werdende Eltern die Möglichkeit ihr Baby auf viele Erbkrankheiten zu untersuchen. Stellt der Arzt dabei schwere gesundheitliche Schäden fest, könnte das für das Paar eine schwere psychische Belastung sein. Deshalb kann es sich in diesem Fall für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.
Mit der PID können dieselben Tests gemacht werden. Einziger Unterschied: Der Embryo ist noch nicht im Mutterleib. „Fällt die PID negativ aus und das Paar entscheidet sich gegen das Kind, bleibt ihnen viel Leid durch einen Schwangerschaftsabbruch erspart“, sagt Heinrichs. „Daher ist es ein Widerspruch die vorgeburtliche Untersuchung und eine Abtreibung zu erlauben und die PID zu verbieten.“
Welche Grenzen sollten gelten?
„Wichtig für die PID-Freigabe sind enge Grenzen“, so der Experte. „Und das könnte problematisch werden.“ Denn ab wann ein genetischer Defekt so schwerwiegend ist, dass die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter durch ein behindertes Kind bedroht ist, lässt sich in vielen Fällen schwer beantworten. Die Gratwanderung macht ein Beispiel deutlich: So kann eine neurogenerative Erkrankung, die sogenannte Chorea Huntington, sehr gut im Erbgut nachgewiesen werden. Sie bricht jedoch erst ab dem 50. Lebensjahr aus. Ist diese genetische Störung, die eine Lebenseinschränkung erst im späten Alter mit sich bringt, also Grund für eine Entscheidung gegen den Embryo? Eine ähnliche Frage kann bei der genetische Veranlagung von Brustkrebs gestellt werden. Denn auch diese könnte mittels PID ermittelt werden. Trotz Veranlagung muss die Erkrankung jedoch nicht ausbrechen.
Gibt es andere Verfahren mit ähnlichen Befunden?
Weniger umstritten als die genetischen Untersuchungen an Embryonen sind die Verfahren der Präkonzeptionsdiagnostik. Hierbei wird die Eizelle bereits vor der Befruchtung untersucht. Mit dieser Methode lassen sich jedoch ausschließlich Informationen über das mütterliche Erbgut gewinnen.
Das Verfahren könnten durch die Untersuchung männlicher Samenzellen ergänzt und damit die PID ersetzt werden. Jedoch werden Spermien durch bisherige Untersuchungsmöglichkeiten zerstört. Derzeit werden bereits klinisch Verfahren getestet, die es ermöglichen die zu untersuchenden Samenzellen künstlich zu duplizieren, so berichtet das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften. Dann könnte das Genmaterial der ersten Samenzelle getestet und die zweite identische Samenzelle zur Befruchtung genutzt werden.