San Francisco. Donald Trumps Vize ist abgetaucht. JD Vance kennt seinen Platz. Wenn er seine Karten richtig ausspielt, kann er zum Hoffnungsträger werden.
Es ist ruhig geworden um JD Vance. Sein letzter Großauftritt hatte Donald Trumps Stellvertreter am Wahlabend auf der Siegesparty in Mar-a-Lago. Danach nahm er den angestammten Platz amerikanischer Vizepräsidenten ein: In der zweiten Reihe. Sie gelten als Schattenpräsidenten, genauer genommen: mehr Schatten als Präsident.
Hinter den Kulissen ist der Mann indes emsig. In dieser Woche wirbt Vance bei republikanischen Senatoren für Ministerkandidaten, deren Ernennung aufgrund von Affären und Skandalen keine parlamentarische Selbstverständlichkeit ist: für Peter Hegseth (Verteidigung) und – noch umstrittener – Matt Gaetz (Justiz).
Daneben hält er Ausschau nach einem FBI-Direktor. Bekannt wurde es durch ein Versehen (oder war es maliziöse Absicht?). Auf einem sozialen Netzwerk rechtfertigte sich Vance dafür, dass er eine Abstimmung im Parlament geschwänzt habe. Er habe sich mit Trump getroffen, „um mehrere Positionen für unsere Regierung zu besprechen, darunter auch die des FBI-Direktors.“
Darf ein Vize eine eigene Agenda haben?
Der heißt Christopher Wray und hat auf diese Weise bestätigt bekommen, dass der künftige Präsident ihn loswerden will und schon Ausschau nach Nachfolgern hält. Später löschte Vance den Tweet.
Amerikanische Vizepräsidenten sind für Repräsentationsaufgaben gut genug und sollen allzeit bereit sein, die Macht zu übernehmen, wenn ihr Chef ausfällt. Aber ansonsten sollen sie sich zurückhalten. Manche hatten durchaus eine eigene Agenda, allen voran Al Gore mit der Umwelt- und Klimapolitik.
Der Fluch des zweiten Rangs
Wenn sie auf der Weltbühne aktiv werden, dann meist ausdrücklich im Auftrag des Chefs im Weißen Haus. So war die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris für Joe Biden bei einem Ukraine-Gipfel in der Schweiz. Als sie plötzlich Spitzenkandidatin wurde, hatte sie unter anderem mit dem Problem zu kämpfen, dass sie für viele Wähler ein unbeschriebenes Blatt war, das Trump geschickt zu einem Papiertiger faltete.
Es gab durchaus starke Vizepräsidenten, graue Eminenzen, Dick Cheney zum Beispiel. Aber aus dem großen Schatten des Präsidenten herauszutreten, war Vizepräsidenten selten vergönnt. Bezeichnend ist der Spruch von Dwight D. Eisenhower, der nach eigenen Worten eine Woche gebraucht hat, um überhaupt über den wichtigen Beitrag nachzudenken, den Richard M. Nixon als seine Nummer zwei geleistet hatte.
Streng konservativ
Aufgrund des Schattendaseins ist es auch kein Wunder, dass in der US-Geschichte erst zwei Vizepräsidenten aus ihrem Amt heraus eine Wahl gewonnen haben und aufgerückt sind. Die Amerikaner haben dafür einen eigenen Begriff erfunden, den Van-Buren-Fluch.
Trump ist eine extrem eitle Person, geradezu eine narzisstische Persönlichkeit. Vance dürfte klug genug sein, der Sonne nicht zu nahe kommen. Solange er Aufgaben für den Chef übernimmt und für Trump den Minenhund spielt, dürfte er wohlgelitten sein.
Guter Netzwerker
Vance ist erst 40 Jahre alt, und die Verfassung schließt eine Wiederwahl und eine dritte Amtszeit Trumps aus. Vances Zeit kann noch kommen. Er ist eloquent. meist drückt er sich gesitteter als sein Chef aus – so etwa beim TV-Duell der Vizes – und vertritt viele Positionen, beispielsweise zur Abtreibung, die streng Konservative zu würdigen wissen.
Außerdem hat er einen guten Draht zu einem Trump-Sohn, zum Milliardär Elon Musk und
zu Peter Thiel, den Mitgründer (neben Musk) von PayPal. Thiel hat ihn wie einen Ziehsohn gefördert und seine Kampagnen mit Geld unterstützt.
Vance hat zwar nicht wie Musk eine öffentlich zelebrierte „Bromance“ mit dem Präsidenten, aber dafür das richtige Alter, den passenden ideologischen Hintergrund und ein Netzwerk von potenziellen Förderern unter Republikanern. Wird er seine Karten geschickt ausspielen?
Vance muss sich in Geduld üben und Profil gewinnen, ohne unverschämt viel, gar mehr als Trump zu glänzen. Diese Linie hat er im Wahlkampf mehr oder weniger durchgehalten. Schafft er das Kunststück etwa vier Jahre lang?
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